Orte der Stille
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Orte der Stille

Bernd Spriestersbach
Ein Beitrag von Bernd Spriestersbach, Evangelischer Pfarrer, Fulda

Eine andere Welt mitten in Frankfurt. Wenige Schritte von der Zeil entfernt. Ein Ort der Stille. Bei der Liebfrauenkirche. Durch die Pforte vom Schärfengässchen trete ich ein in den Klosterhof. Es ist, als verlasse man den Alltag und tauche ein in eine andere Welt. Ruhig ist es. Fast andächtig. Kerzen kann man entzünden. Etwa 60 brennen auf einem Kerzentisch. Teelichter. Ich nehme 3. Werfe einen Obolus in die Spendendose. Entzünde meine Kerzen und stelle sie zu den anderen. Ich denke an die Menschen, für die ich die Kerzen entzündet habe. Und bete für sie. Mein Blick fällt auf eine Wandtafel. Ich lese: „Herr, diese Kerze, die ich jetzt entzünde, soll Licht von deinem Licht sein. Zeige mir meinen Weg durch alle Dunkelheiten meines Lebens. Lass das Licht der Kerze Zeichen deiner Liebe sein, die mein Herz erwärmt. Arbeit und Alltag lassen mich nicht lange hier verweilen. So leuchte dieses Licht an meiner statt. Hilf mir Herr, in Deinem Licht meinen Weg durch den Tag zu gehen.“ Das Gebet tut gut. Licht für meinen Weg brauche ich. Gottes Liebe wärmt wie das Licht der Kerze. Ein schönes Gefühl. Ich nehme eine 4. Kerze und entzünde sie. Für mich. „Arbeit und Alltag lassen mich nicht lange hier verweilen. So leuchte dieses Licht an meiner statt…“ Gestärkt verlasse ich den Klosterhof. Der Moment an diesem Ort der Stille hat gut getan.

Ich glaube, dass wir solche ‚Orte der Stille‘ brauchen. Innehalten. Zu sich finden. Und zu Gott. Arbeit und Alltag sind nicht alles. Jesus wusste das. Die Geschichte von Martha und Maria erzählt davon. Martha ist die Rührige, Aktive, die sich in der Arbeit verliert. Alles in bester Absicht. Maria, ihre Schwester, lässt sich ein auf Jesus. Wird still. Hört zu. Öffnet sich für das, was Jesus sagt. Und tut gut daran. Jesus sagt: „Martha, Martha, du machst dir viel Unruhe. Eins aber ist not. Maria hat das bessere Teil gewählt. Das wird ihr niemand mehr wegnehmen.“ (Lukas 10, 41f). Martha und Maria. Eine Geschichte, die vom Wert des Ruhens weiß. Des Achtens auf das wirklich Wichtige. Jesus ermutigt zur ‚Einkehr‘. Zur Stille. Zur Zeit mit Gott.

‚Orte der Stille‘ helfen dabei. Der Klosterhof in Frankfurt ist einer. Solche Orte braucht es auch da, wo wir leben und arbeiten. Ich bin Schulseelsorger an der Eugen-Kaiser-Schule in Hanau. Einer beruflichen Schule. Wir bauen ein neues ‚Sozialpädagogisches Ausbildungszentrum‘. Auf dem Außengelände ist ein ‚Haus der Stille‘ geplant. Eine Art kleiner Kapelle. Ein Ort der Stille. An unserer Fachschule. Damit unsere Studierenden nicht nur ‚Martha‘ sind, sondern auch ‚Maria‘ sein können.

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