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Blick zurück nach vorn

Blick zurück nach vorn

Dr. Joachim Schmidt
Ein Beitrag von Dr. Joachim Schmidt, Evangelischer Pfarrer, Darmstadt

Unternehmen Barbarossa? Vielen sagt der Begriff heute vielleicht nichts mehr. Im zweiten Weltkrieg, am 22. Juni 1941, also vor 75 Jahren, griff Hitlerdeutschland die Sowjetunion an. Vier Jahre später lagen nicht nur Russland, sondern auch Deutschland in Trümmern. Daran musste ich denken, als ich vor wenigen Tagen von einem der rechten Meinungsführer den Satz hörte: „Ich will, dass unser Land so bleibt, wie ich es von meinen Eltern übernommen habe.“

Ich dachte, ich hätte mich verhört. Ich selbst bin bald nach dem Krieg in der Ruinenlandschaft von Berlin groß geworden. Das war, was die Generation meiner Eltern und Großeltern uns Jungen hinterlassen hatte. Die Zeit eines furchtbaren und menschenverachtenden Regimes in Deutschland lag noch nicht lange zurück. Völkische Großmacht-Hirngespinste und rassistische Mordprogramme hatten viele Millionen Menschen das Leben gekostet. Mühsam nur lernten die Deutschen nach dem Krieg über Jahre hin Demokratie und Toleranz und sogar so etwas wie Weltoffenheit. Sie entdeckten und führen seitdem ein Leben, wie sie es früher nicht einmal zu träumen gewagt hätten.

Heute scheint das den Jungen alles irgendwie selbstverständlich, als könne es gar nicht anders sein, aber das ist es nicht. Die neuen Rufe nach Abschottung, nach Ausgrenzung und besonders nach einer starken Hand wie zu alter Zeit kommen von ewig Vergesslichen oder ewig Gestrigen. Sie weisen nicht nach vorne, sondern in eine dunkle Vergangenheit, die unter großen Opfern überwunden wurde. Das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen. Die Jungen von heute haben die Ruinen von gestern nicht mehr kennen gelernt. Zum Glück. Umso wichtiger ist es, dass die Alten davon erzählen. Der Gedenktag der kommenden Woche könnte ein Anlass sein.

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