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Vom Schweigen der Tiefe und der Stille Gottes

Vom Schweigen der Tiefe und der Stille Gottes

Ein Beitrag von Helwig Wegner-Nord, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Zugegeben: Es ist nicht ganz einfach, lauthals über die Stille zu sprechen. Noch dazu im Radio: wenn’s im Radio still wird, ist meistens irgendwas schief gelaufen. Ich versuche es trotzdem. Und mach mich mal stark für die Stille, für das Schweigen. Und ich meine nicht das Schweigen, das am Ende der Worte steht, wenn einem nichts mehr einfällt. Ich glaube, dass es ein anderes Schweigen gibt. Ein energiegeladenes Schweigen, das wie ein durchgehender Grund unter allen Geräuschen liegt.

Vielleicht ist das wie mit der großen Ruhe, die in den Tiefen der Ozeane herrscht. Während oben ohne Ende die Wellen tanzen, sich heben und senken, während Strömungen alles mit sich reißen, was sie zu fassen bekommen, und das Ganze mit ziemlichem Getöse, ist schon wenige Meter, sagen wir 20 Meter weiter unten der tiefste Frieden und die größte Stille.

In diesem Gegenüber von den oben tobenden Wellen und der großen Ruhe unten in der Tiefe der Meere sehe ich so etwas wie ein Bild für unser Leben. Für das Meer sind die Wellen, was für den Menschen die Gefühle, die Emotionen sind. Wellen der Wut. Aufkommender Zorn. Rauschhafte Liebe. Alles wild-dramatisch. Oben ist das so. Und nicht weit darunter, ein paar Meter tiefer, ist Frieden. Wer nur ein wenig in die Tiefe eintaucht, abtaucht, findet sich in der Stille wieder. Wer die Tiefe erlebt, kann auch den Wellen an der Oberfläche begegnen.

Dumm dran ist, wer die Wellen schon für alles hält, das ständige Hin und Her, das Wechselbad der Gefühle und Meinungen, der ist bald erschöpft. Der verliert den Halt, den er für sein Leben braucht.

Es ist gerade das Gegenüber von den bewegten Wellen oben und der Ruhe in der Tiefe, was unserem Leben entspricht. Unser Alltagsleben findet ja nicht in den Tiefen ewiger Stille statt. Es äußert sich in Worten und Gesängen, in Bewegung und Tempo. Aber gerade deswegen braucht es den Gegenpol, die Tiefe, die Ruhe. Ein alter Psalm beginnt mit den Worten: „Meine Seele ist still zu Gott, der mir hilft.“ (Psalm 62,2) Wer so seinen Tag anfängt, mit diesem kurzen stillen Gedanken, alles Oberflächliche beiseite lässt, wird ruhig und kommt Gott nah. Jenseits aller Worte und Töne.

Vielleicht muss es für dieses Stillwerden nicht einmal wirklich still um mich herum sein. Hauptsache ist, dass meine Seele ruhig wird und in mir all das mal schweigt, was sonst auf mich einstürmt.

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