Karlotta
Fast hätte ich ein Wunder verpasst. Mitten in der Nacht klingt mein Handy. Ich schrecke hoch und sehe sofort, bevor ich drangehe: nur noch ein Prozent Akku. Ich habe vergessen, das Handy aufzuladen. Dabei habe ich versprochen erreichbar zu sein.
Hektisch renne ich ins Wohnzimmer und wühle das Ladekabel unter dem Sofa hervor. Ich nehme ab. Am anderen Ende der Leitung ein guter Freund. Er ist mit seiner Frau im Krankenhaus. Ihr erstes Baby ist da. Ob ich sie abholen könne? Er hat keinen Führerschein. Puh, denke ich. Vier Uhr morgens. So früh hatte ich damit nicht gerechnet.
Ein Neugeborenes - ein Wunder
Aber klar, ich komme. Ich ziehe mich an, steige ins Auto. Am Krankenhaus sehe ich sie dann: eine stolze Mutter. Einen stolzen Vater. Beide überglücklich. Und in eine Decke eingewickelt auf dem Arm: die kleine Karlotta. Ich sehe ihre winzigen Hände. Ihre zarte Nase. Und denke nur: Was für ein Wunder.
„Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin“
Ich bestaune sie und denke sofort an die Worte eines Beters im Alten Testament: „Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin“, so heißt es im 139. Psalm. Ich glaube: Jedes neue Leben ist das, ein Wunder. Ein Geschenk Gottes, vor dem ich nur staunen kann.
Und es gilt nicht nur für Karlotta: Mit jedem Neugeborenen spüre ich das aufs Neue. Und manchmal dürfen wir ganz nah dabei sein – wenn dieses Wunder beginnt. Ich bin so froh, dass ich es nicht verpasst habe. Und dass mein Akku durchgehalten hat.
Vielleicht sollte das so sein. Bis heute ist da eine besondere Verbindung. Immer wenn ich Karlotta sehe, denke ich an diese Nacht: An das eine Prozent Akku und an das große Wunder, das ich fast verpasst hätte.