Frau? Mann? Mensch!
„Schickes Kleid!“, hab ich zu ihr gesagt bei unserer ersten Begegnung. Sie war ein wohltuender Anblick in meiner Rehaklinik, zwischen lauter T-Shirts und Jogginghosen. Erst auf den zweiten Blick hab ich erkannt: Im Kleid steckt ein Mann. Ich nenne ihn hier Klaus und Tatjana, auch wenn sie sich als Frau anders nennt und als Mann anders heißt.
Der Beginn einer besonderen Freundschaft
Ich habe schwule Freunde, lesbische Freundinnen und kenne viele homosexuelle Menschen. Wenig Kontakt hatte ich bisher mit Personen, die sich anders fühlen und definieren, als ihr zugeschriebenes Geschlecht es zuweist. Und so wurden meine drei Wochen Reha zum Beginn einer besonderen Freundschaft – mit vielen tiefen Gesprächen.
Es muss, traurig sein, im falschen Körper zu stecken
In der Klinik war Tatjana bei vielen Gesprächsthema. Im Café hörte ich eine ältere Dame hinter mir: „Und sie ist doch ein Mann!“ – Eine zweite meinte: „Ja, hab ich auch gesehen, an den Händen. Aber sehr gepflegt!“ Und eine dritte sagte sehr nachdenklich: „Es muss traurig sein, im falschen Körper zu stecken.“
Tatjana wurde mit ihrem offiziellen Männernamen aufgerufen
Es gab in der Klinik aber auch andere Stimmen, offen ablehnende Blicke. Und komische Situationen. So wurde Tatjana immer wieder mit ihrem offiziellen Männernamen aufgerufen: „Herr Klaus X.“ – „Hier“, hat Tatjana dann tapfer geantwortet, täglich im Kleid.
Bei Gott hat jede und jeder einen passenden Namen
Dabei fällt mir ein Spruch aus der Bibel ein, in dem Gott sagt: „Fürchte dich nicht: Denn ich habe dich bei deinem Namen gerufen“, heißt es im Buch Jesaja (Jes. 43,1). Aber es gibt Menschen, die fühlen sich mit ihrem männlichen oder weiblichen Namen nicht erkannt in ihrem Wesen. Tatjana hat mir gesagt: „Wenn du unsicher bist – frag die Person einfach, wie sie angesprochen werden möchte.“ Und ich glaube fest: Bei Gott hat jede und jeder einen passenden Namen.
Denn wir sind einfach Menschen
In der Klinik wurden wir nach einiger Zeit nur noch mit Nachnamen aufgerufen. Tatjana und ich haben es als Schritt empfunden – auf dem Weg zur Akzeptanz, dass es mehr gibt als Frauen und Männer: einfach Menschen.