Mein Wunsch-Ich
Beinahe hätte ich mir eine gebrauchte Nähmaschine gekauft. Witzig eigentlich, denn wenn ich ganz ehrlich bin, dann interessiere ich mich nicht wirklich fürs Nähen. Aber da gibt es Anke, meine Freundin. Sie ist eine kreative Mutter, die schöne Dinge näht für ihre Kinder und auch für Freunde. Und eine ganze Weile habe ich gedacht, dass ich auch so sein müsste.
Es ist so: Ich kann nicht nähen und im Grunde will ich es auch nicht lernen. Ich habe einfach keine Geduld dazu. Um genauer zu sein: mein wirkliches Ich hat das alles nicht. Ganz anders dagegen mein Wunsch- Ich. Die Idealvorstellung, die ich von mir habe, interessiert sich sehr für dieses Thema und denkt heimlich, dass ich so sein müsste wie Anke.
Dieses Wunsch- Ich hat sich einige Monate sehr darum bemüht, mich davon zu überzeugen, dass es Recht hat: wir waren zusammen in einem Stoffladen, haben uns fachkundig interessiert gezeigt und sogar für 25€ diesen Piratenstoff gekauft. Der liegt jetzt leider im Schrank. Fast hätte es mich zu einem Nähkurs angemeldet: Leider konnte ich keinen Termin finden, der gepasst hätte.
Erst als Anke mich gefragt hat, wann sie mir ihre alte Nähmaschine mitbringen soll, habe ich mein Wunsch-Ich entlarvt und zögernd geantwortet: „Also ehrlich gesagt: …gib sie lieber jemand anderem.“ Dann mussten wir beide lachen. Gott sei Dank! Das war wie eine Befreiung! Es war der erste Schritt, mich zu akzeptieren, wie ich wirklich bin. Meine Freundin mag mich auch ohne Nähmaschine. Meinen Kindern ist es wichtiger, dass ich Zeit für sie habe, als dass sie irgendwelche von mir schief zusammengenähten Pullis tragen müssen.
Und ich glaube: Gott akzeptiert mich so wie ich bin. Das alles heißt nicht, dass ich mich nicht mehr verändern will oder soll. Das wäre schlimm. Aber ich muss mich nicht von mir selbst unter Druck setzen lassen. Mein wirkliches Ich ist gut genug – für die Menschen um mich herum und auch für Gott.