hr4 ÜBRIGENS
hr4

Eine Sendung von

Pfarrerin, Echzell

Manchmal ist es der Fahrlehrer

Michael Hoffman ist Fahrlehrer. Neben dem normalen Fahrunterricht gibt er auch ein paar Mal im Jahr Kurse für „Rücksichtsvolles Fahren“. Offiziell heißt das „Aufbauseminar für allgemein auffällige Kraftfahrer“. Die Teilnehmer müssen Punkte in Flensburg abbauen oder wurden von der Straßenverkehrsbehörde gezwungen, diesen Kurs zu besuchen. Sie haben meistens wenig Lust darauf. Sie zu mehr Rücksicht beim Autofahren zu bringen ist kein einfacher Job.

Fahrlehrer Michael Hoffmann überrascht die Kursteilnehmer meistens mit seiner Methode: Statt langweiliger Vorträge über Höchstgeschwindigkeiten und Fahrverhalten bittet er seine Kursteilnehmer, ihre eigene Fahrerbiografie aufzuschreiben: Wann habe ich wofür Punkte bekommen und wie war jeweils meine Lebenssituation? Die Kursteilnehmer sind fast ausschließlich Männer, und die finden plötzlich Parallelen: Dass sie gerade dann Punkte bekommen haben, als die Freundin sie verlassen hatte, oder nachdem die Frau gestorben war. Darüber reden sie in der Gruppe und plötzlich merken sie, was da eigentlich los ist.

Manche schreiben auch nur was Diffuses auf wie „beruflicher Stress“ und dann stellt sich im Gespräch heraus, dass da ein Mitarbeiter von der Chefin massiv unter Druck gesetzt und mit Handy-Anrufen drangsaliert wird. Wenn es gut läuft, erzählt Fahrlehrer Hoffmann, dann erkennen die Männer in der Runde von selbst, wie sie unter Druck stehen, und dass sie die Raserei mit dem Auto als Ventil benutzen. Dann merken sie auch, dass ihnen eigentlich der Mut fehlt, das zu machen, was für sie richtig wäre: Sich einen anderen Job zu suchen oder sich Zeit zum Trauern zu nehmen.

Sie lernen eine Menge über sich selbst, und auf einmal können sie über ihre Ängste reden, die sie lange nicht wahr haben wollten.  Manchmal genügt es schon, wenn einer den Raum schafft, diesen ersten Schritt zu tun. Und manchmal ist es der Fahrlehrer.