Daneben
Viereinhalb Jahre lang hatte Julia studiert. Sie wollte Lehrerin werden. Aber dann versiebte sie zwei Prüfungen. Also ein weiteres Semester büffeln und nochmal antreten. Eine Prüfung lief gut, aber bei der Pädagogik-Prüfung fiel sie wieder durch. Ob aus Prüfungsangst oder ob sie das Falsche gelernt hatte, konnte Julia nicht sagen. Sie wusste nur eins: Der Traum, Lehrerin zu werden, war ausgeträumt. Nochmal durfte sie die Prüfung nicht machen.
Julia war am Boden zerstört. Fünf Jahre studiert für nichts! Um irgendetwas zu tun, jobbte sie als Briefträgerin. Der feste Rhythmus tat gut, durch das viele Laufen war sie zumindest körperlich in Bewegung. Aber immer wieder zermarterte sie sich das Hirn: Hätte ich nicht besser lernen können? Warum ist mir so ein Mist passiert?
Dabei geht im Leben ganz schön viel daneben. Fast jeder Mensch kommt irgendwo mal nicht weiter und muss einen anderen Weg suchen. Jesus erzählt eine Geschichte, in der sogar drei Viertel daneben gehen. Das Gleichnis vom Bauern, der Saat aussät. Von den Samenkörnern fällt ein Teil auf den Weg und wird zertreten. Der nächste Teil fällt auf felsigen Boden und kann nicht aufgehen. Nur ein kleiner Teil der Saat landet auf dem fruchtbaren Land und kann wachsen.
Wir erwarten oft: Die Dinge sollen sich so entwickeln, wie wir uns das vorstellen. Aber sie können auch anders laufen, und trotzdem gut. Julia hat nach einem halben Jahr neuen Mut geschöpft und nochmal studiert: Katholische Theologie. Nach dreieinhalb Jahren hat sie ihre Prüfungen bestanden. Heute ist sie Pastoralreferentin. Das Beste ist: sie arbeitet nun doch als Lehrerin - sie gibt Religionsunterricht. Manchmal fällt die Saat eben anders, als wir das erwarten, manchmal braucht ein Samenkorn Zeit oder besonderen Dünger, um aufzugehen.