Kleines wird groß durch Danken
Er ist über siebzig Jahre alt und schaut auf seinen Leben zurück. Dann macht er das Beste, was er kann: er schreibt. Nur ein paar Zeilen, und er hat sein ganzes Leben betrachtet, der deutsche Schriftsteller Theodor Fontane (1819 – 1898). Und weil er auch reimen kann, macht er aus seinen Gefühlen ein Gedicht und schreibt:
Eine kleine Stellung, ein kleiner Orden
(Fast wär ich auch mal Hofrat geworden),…
Mit siebzig ’ne Jubiläumsfeier,
Artikel im Brockhaus und im Meyer…
Altpreußischer Durchschnitt. Summa Summarum,
Es drehte sich immer um Lirum Larum,
Und Lirum Larum Löffelstiel.
Alles in allem – es war nicht viel.
(aus: Nachlese, Gedichte)
Das Gedicht klingt etwas wehmütig, ist aber heiter gemeint. Fontane ist Apotheker, erst spät im Leben wird er Schriftsteller und zählt heute zu den ganz Großen der deutschen Sprache. Aber auch die Großen werden alt und schauen zurück auf ihr Leben. Das geht so schnell, dieses Zurückblicken. Ein paar Sekunden nur, und man hat vierzig, fünfzig Jahre überblickt. „Die Jahre fahren schnell dahin, als flögen wir davon“ (Altes Testament, Psalm 90, Vers 10). Plötzlich ist man um die siebzig und schaut mehr zurück als nach vorn. Die Wünsche werden weniger, die Hoffnungen kleiner, Kinder und Enkel sind oft weit weg. Dann steht die Sonne oft tief und man kann schon mal denken: Alles in allem - es war nicht viel. Der Ruhm und das Geld und der große Garten am Haus, manchmal ist das im Alter mehr eine Last als eine Freude, so schön alles ist. Und was kommt dann noch?
Am schönsten ist das Alter, wenn man auch heiter sein kann, unverkrampft und ein bisschen lässig. Nicht nachlässig, aber doch nicht so verbissen ernst und schwer. Fontane kann das, sein Herz und seine Sinne bleiben entspannt, als er alt wird. Dann schreibt er an seine Frau Emilie: Je älter ich werde, je tiefer empfinde ich, alles ist Glück und Gnade, das Kleine wie das Große. So will ich es auch fühlen, wenn ich immer älter werde. Noch das kleinste Glück will ich ganz groß sehen. Ein gutes Leben ist Freude am Kleinen. Kleines wird schnell groß durch Danken.
