Warum Bratfeste mehr als nur Tradition sind
Der September ist der Monat der Bratfeste – zumindest in Bad Orb und wahrscheinlich auch nur hier. Bratfeste sind eine lokale Tradition und fest verwurzelt mit diesem Ort und in diesem Monat. Bratfeste sind vermutlich aus den früheren Kartoffelfeuern entstanden. War abgeerntet, dann hat man alles Brennbare, was man so finden konnte, auf einen Haufen geworfen und angezündet.
Heute ist das Leben der Menschen nicht mehr landwirtschaftlich geprägt. Aber die Tradition der Bratfeste gibt es weiterhin. Sie wandelt sich nur, doch das Eigentliche bleibt erhalten. Heute werden immer noch Feuer angezündet, es gibt etwas Besonderes zu essen, die „Beffstecker“. In Zeitungspapier wird dieses Gericht eingewickelt und dann schmoren es stundenlang in der heißen Asche. Natürlich hat jede Familie ihr eigenes Rezept, wie sie das Fleisch mit den Zwiebeln zubereitet. Und dann braucht es natürlich noch Menschen, die mitfeiern. Familien, Freundeskreise und Vereine haben ihre eigenen Bratfeste.
Als ich nach Bad Orb gezogen bin, kannte ich die Bratfeste noch nicht. Für eine sehr merkwürdige Tradition habe ich sie gehalten. Scheinbar ohne Anlass stundenlang große Feuer abbrennen und ein seltsames Gericht essen – das schien mir so fremd und unverständlich. Bis ich selbst zu einem Bratfest eingeladen wurde. Da habe ich festgestellt: Das ist ja gar nicht merkwürdig. Eigentlich ist das richtig schön.
An Traditionen festhalten
Hier geht´s um Gemeinschaft, ums Zusammensein, um Kontakte zwischen Familie und Freunden. Und das auf eine Weise, die eine Welt, die immer globaler wird, vielleicht gerade so sehr braucht. Ja, so eine sehr lokale Tradition mag merkwürdig auf mich wirken, weil ich sie nicht kenne. Weil sie kein Phänomen ist, das überall bekannt und damit vertraut ist. Etwas, was nur ganz wenige Google-Ergebnisse bringt. Und vielleicht ist es genau das, was Menschen heute mehr brauchen denn je: das Kleine, das Lokale, das Regionale. Das, was es nur hier gibt. Lokale Traditionen und Bräuche helfen, Identität zu schaffen. Sie zeigen, was an dem jeweiligen kleinen Fleckchen Erde wichtig ist, was die Menschen ausmacht, was ihnen Struktur und Halt gibt. Sie helfen, uns zu verorten, herauszufinden, wer wir sind und wohin wir gehören wollen.
Wissen, wohin man gehört
Vieles, was wir nicht kennen, was uns fremd ist, kann uns erst mal seltsam erscheinen; vielleicht sogar befremdlich. Das ist ganz normal. Wie schön ist es dann, wenn mich jemand einlädt und mir dieses Fremde erklärt. Wenn mich jemand mitnimmt in seine Welt und sie für mich verständlich macht. Wenn ich Teil dieser Welt werden darf und dadurch meine eigene Welt erweitere. Damit etwas Fremdes vertraut werden kann, reichen manchmal schon offene Arme und offene Herzen.