Störung in der Kirche
Ich sitze am Sonntag auf meinem Platz in der Kirche, vorne, weit weg vom Eingang. Während wir ein Lied singen: Klappergeräusche, Gesprächsfetzen, die Küsterin steht auf. Jetzt hört man ihre Stimme von der Eingangstür. Dann ist die zu. Der Gottesdienst geht weiter.
Im Anschluss erfahre ich, was passiert ist: Am Samstag war Flohmarkt, ein Benefizflohmarkt der Kirche mit gespendeten Sachen. Einige Geflüchtete haben beim Aufräumen geholfen. Als Gegenleistung durften sie ein paar Ladenhüter mitnehmen und sich am Container bedienen, bei allem, was nicht verkauft wurde. Die Spenderinnen und Spender wollen ihre Sachen nicht zurück.
Gegenleistung für Mithilfe
Ein Win-win-Business eigentlich: Die Bedürftigen helfen beim Abbau und dürfen sich Dinge mitnehmen. „Können wir morgen nochmal wiederkommen?“ „Na klar!“ Der Container mit den Resten bleibt bis Montag stehen.
Alle wissen natürlich: Zu den Gottesdienstzeiten geht das nicht, das mit Lärm oder Reden… Das setze ich als Vertreter der Kirchengemeinde als bekannt voraus – aber mit welcher Berechtigung eigentlich?
Am Abend hatte jemand eine Plane über den Container gespannt, damit er sich nicht mit Regenwasser füllt, und nun war nicht mehr ganz klar, was die Geflüchteten dürfen und was nicht. In der Kirche sind Leute. „Wir fragen!“
Gut gemeint war das, aber in dem Moment schwierig, mitten im Gottesdienst: Kopfschütteln, Stirnrunzeln und gezischtes „Wie kann man nur!“ – von Gemeindemitgliedern, die auch den Hintergrund nicht kannten. Die Leutee wurden weggeschickt.
"Vergesst die Gastfreundschaft nicht"
Jesus sagt, als seine Schüler mal gerügt werden, weil sie am Sabbat Körner naschen, die sie zuvor abgestreift, also quasi geerntet, verbotenerweise, gearbeitet haben: „Der Mensch ist nicht für den Sabbat da, sondern der Sabbat für den Menschen!“ Und dann gibt es da noch diese Stelle weiter hinten in der Bibel: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht. Denn dadurch haben einige schon Engel beherbergt, ohne es zu merken.“
Die Geflüchteten, die auch noch ehrenamtlich mitgearbeitet haben, sollten dann doch wirklich willkommen sein! Andererseits aber… Wenn so geistreiche Sachen in der Bibel stehen, muss man es den Menschen, die die hören wollen, auch ermöglichen, ohne Störung Gottesdienst zu feiern.
Respekt auch für Menschen, die unsere Regeln nicht kennen
Dinge passieren. Ein klassischer Kommunikationsfehler. Nicht mehr zu ändern. Was man aber ändern kann: das Stirnrunzeln gegenüber Hilfesuchenden, das Kopfschütteln und „Wie kann man nur!“-Sagen, wenn jemand etwas nicht verstanden hat.
Denn wer bedürftig ist, braucht neben vielen anderen Dingen auch Respekt. Nicht nur in der Kirche.