Immer ein Lichtlein mehr...
Am Sonntag, in vier Tagen, ist schon der erste Advent! Höchste Zeit also, einen Adventskranz zu besorgen, oder, so mache ich es, selbst einen zu binden.
Der Adventskranz gehört für mich von klein auf zum Advent. Und ich hätte schwören können, dass es ein uraltes kirchliches Ritual ist, an jedem der vier Sonntage vor Weihnachten eine Kerze mehr auf dem Kranz anzuzünden. Aber weit gefehlt!
Der Adventskranz war anfangs eine evangelische Tradition
Ich habe mich schlau gemacht: Der Adventskranz war anfangs eine evangelische Tradition, erfunden in seiner Urform in einem Hamburger Kinderheim.
In einer katholischen Kirche wurden zum allerersten Mal vor genau hundert Jahren 1925 nacheinander die Lichter auf dem Kranz entzündet. Das war in Köln. Die katholische Kirche könnte also dieses Jahr ihr 100. Adventskranz-Jubiläum feiern.
Er gründete ein Rettungsdorf für Straßenkinder
Die evangelischen Ursprünge des Adventskranzes, übrigens genauso wie die des Adventskalenders, gehen auf den Pädagogen und Theologen Johann Hinrich Wichern zurück. Der lebte im 19. Jahrhundert und hat in Hamburg das sogenannte Rauhe Haus gegründet, eine Art Rettungsdorf für verwahrloste oft verwaiste Kinder, die sonst auf der Straße gelebt hätten.
Sie fragten immer: „Wie lange dauerts denn noch?“
Und die, so heißt es, haben vor Weihnachten immer wieder gefragt: „Wie lange dauerts denn noch?“ – worauf Johann Hinrich Wichern auf ein Wagenrad so viele Kerzen gesteckt hat, wie der Advent Tage hat und jeden Abend wurde eine Kerze mehr angezündet. So wurde es spürbar heller und wärmer. Einige evangelische Gemeinden haben dieses Ritual aufgenommen. Im Laufe der Zeit wurden die Adventskerzen für jeden Tag auf die vier Sonntagskerzen reduziert. Und es wurde üblich, den Kranz aus Tannengrün zu binden. Seitdem breitet sich dieser Brauch aus, erst in den evangelischen, dann in den katholischen Gemeinden, vor allem im deutschsprachigen Raum und in Skandinavien.
Mit bei jedem Anzünden der Lichter etwas Zeit nehmen
Ich freue mich immer auf den Adventskranz. Seit Jahren binde ich ihn mit einem Freund zusammen selbst. Wir sammeln oder kaufen Tannenzweige und legen los. Auch dieses Jahr haben wir uns bereits verabredet. Den Strohkern, den Draht und alles andere zum Verzieren haben wir parat, nur die Kerzen müssen noch besorgt werden. Dieser entspannte, kreative Abend ist mein Auftakt in die Adventszeit und auch schon eine Art Einüben: mir nämlich immer wieder beim Anzünden der Lichter ein wenig Zeit zu nehmen. Für einen Tee oder Kaffee, für einen guten Text, oft aus dem Adventskalender. Von Woche zu Woche wird es dann in meiner Küche ein bisschen heller.
Zeit, mich innerlich vorzubereiten auf Gottes Menschwerdung
Meine persönliche Adventsfrage ist also kein ungeduldiges: Wie lange dauerts denn noch? so wie bei den Kindern damals und wohl auch denen von heute.
Vielmehr beschäftigt mich die Frage: Wie kann ich bei all dem, was gerade dienstlich und privat los ist vor den Feiertagen, mich selbst auch innerlich bereit machen für Weihnachten, ist ja schließlich das Fest der Menschwerdung Gottes. Und da ist mir der Adventskranz ein guter Begleiter.