Im Angesicht des Lebens
Manchmal reicht ein Augenblick, um ein ganzes Leben aus der Spur zu bringen. Bei Markus Müller, einem deutschen Manager, war es ein Moment am Flughafen. Er war Europa-Chef eines Weltkonzerns. Immer unterwegs, Entscheidungen im Minutentakt.
Ein Buch, das alles verändert
Auf dem Weg zum nächsten Flug schlendert er durch eine Buchhandlung. Da fällt ihm ein Titel in die Hand: „Fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ [1]. Geschrieben von einer Krankenschwester, die Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet hat.
Er schlägt das Inhaltsverzeichnis auf – und ist wie elektrisiert. Da steht: „Ich wünschte, ich hätte nie so viel gearbeitet.“ – „Ich wünschte, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden gehalten.“
Wenn ich so weitermache, werde ich es bereuen
Noch im Flugzeug klappt er seinen Laptop auf – und schreibt die Kündigung. Später sagt er: „Mir war klar: Wenn ich so weitermache, werde ich am Ende genau dieselben Dinge bereuen.“ Er hat sich eine Frage gestellt, die ich oft verdränge: Was ist mir wirklich wichtig? So ähnlich hat auch Jesus gefragt: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und dabei Schaden nimmt an seiner Seele?“ (Markus 8,36).
Als Manager musste er oft harte Entscheidungen treffen
Das hat Markus Müller gemerkt: Meine Seele nimmt Schaden. Obwohl er alles hat: Geld, Ansehen und Macht. Als Manager musste er oft harte Entscheidungen treffen, wie rund 2000 der 4000 Beschäftigten in Europa abbauen in einem Jahr. In der Rückschau versteht er: Um das auszuhalten, koppelt er sich von den Gefühlen anderer ab.
Markus Müller trifft eine wichtige Entscheidung
Aber irgendwann wird dieses Störgefühl stärker. Denn neben dem harten Manager gibt es den privaten Markus, der gern Zeit mit seinen Freunden verbringt, liest, meditiert oder eine Runde mit dem Hund dreht. Er erinnert sich, wie seine Großmutter jeden Abend mit ihm gebetet hat. An seine Mutter, die sich mit religiösen Fragen beschäftigt hat. Er nimmt seine Gefühle ernst und ändert sein Leben. Er beginnt eine Ausbildung zum ehrenamtlichen Sterbebegleiter. Er schreibt darüber ein Buch und nennt es: „Im Angesicht des Lebens“[2]
Muss man den Beruf wechseln, damit die Seele keinen Schaden nimmt
„Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und dabei Schaden nimmt an seiner Seele?“ Um das herauszufinden, muss niemand so einen radikalen Schnitt machen und den Beruf wechseln. Aber ab und zu aus dem Alltag heraustreten und das eigene Leben aus Distanz betrachten – frei von Erwartungen und Meinungen anderer.
Die Vorstellung, auf dem Sterbebett zu liegen, kann bei Entscheidungen helfen
Markus Müller macht dazu eine einfache Übung: „Stellen Sie sich vor, Sie sind sehr alt, liegen auf dem Sterbebett und blicken auf ihr Leben zurück. Was hätte passieren müssen, damit Sie in Frieden loslassen können?“ Das ist unbequem – aber heilsam. Denn die entscheidenden Fragen dulden keinen Aufschub: Lebe ich so, dass ich am Ende nicht bereuen muss? Kümmere ich mich um meine Seele – und um die Menschen, die mir anvertraut sind?
[1] Bronnie Ware, 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden Taschenbuch – 20. April 2015
[2] Müller, Markus C., Im Angesicht des Lebens: Erfolg und Erfüllung neu gedacht. Durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit wieder Sinn in der Arbeit finden und ein glückliches Leben führen, Haufe 2025.