Glaube als Geschenk
Es war in den Tagen nach Weihnachten. Ich saß, wie an jedem Mittwoch, in unserer Kirche mit einer Tasse Tee und einer brennenden Kerze. Das soll einladend wirken und den Besuchern der Kirche ein zwangloses Gespräch ermöglichen. Eine Frau kam auf mich zu und stellte sich als neues Gemeindeglied vor. Auf meine Frage, ob sie neu zugezogen sei, winkte sie ab. Nein, tatsächlich lebt sie schon seit Jahrzenten hier, aber jetzt erst ist sie in die Kirche wieder eingetreten. Und zwar, weil sie das ihrer Mutter zum Weihnachtsgeschenk gemacht hatte.
Kirchenmitgliedschaft als Geschenk
Ich war überrascht und irritiert: Die Kirchenmitgliedschaft als Geschenk? Geht das denn und macht es Sinn? Die Mitgliedschaft in der Kirche soll doch vom Glauben abhängen, also von der inneren Überzeugung. Aber seinen eigenen Glauben verschenken, das klingt irgendwie ein bisschen schräg.
Die Kirche trat immer mehr in den Hintergrund
Und dann erzählte die Frau mir die ganze Geschichte: Ihre Mutter war schon etwas betagt, auch nicht mehr so ganz gesund. Sie beide, Tochter und Mutter, sprachen viel über die vergangenen Jahre. Ein Gedanke belastete die Mutter, und das war die religiöse Heimatlosigkeit der Tochter. Als Kind war sie getauft worden, damals erschien es der Mutter wichtig, dem kleinen Kind eine Art Schutz zukommen zu lassen. Aber dann, irgendwann nach der Konfirmation, trat die Kirche immer mehr in den Hintergrund. Und eines Tages, war sie, die Tochter, dann ausgetreten. Den letzten Anstoß gab die Steuererklärung mit dem Blick auf die Höhe der Kirchensteuer.
Christsein ohne Kirchenzugehörigkeit
Dann kam eine lange Zeit, in der die Tochter der Kirche zwar nicht mehr angehörte, sich innerlich aber immer noch als Christin fühlte. Das geht wohl vielen so. Erst als sie nun von ihrer Mutter erfuhr, wie traurig sie der Kirchenaustritt der Tochter gemacht hat, dachte sie noch einmal darüber nach. Traurig war die Mutter wohl, weil sie überzeugt ist: Wenn man glaubt, dann gehört man doch zu der Gemeinschaft, die diesen Glauben weitergibt. Glauben annehmen und weitergeben, das ist wie ein Geschenk.
Dazugehörig statt nur Gast
Und dann hatte diese Idee: Sie trat wieder in die Kirche ein. Die Bescheinigung wickelte sie in schönes Papier, mit einer goldenen Schleife verziert und überreichte das der Mutter als Geschenk am Heiligen Abend. Und dann sind sie zusammen in den Weihnachtsgottesdienst gegangen. Eine neue Erfahrung und ein gutes Gefühl: mit einmal war sie nicht mehr nur Gast, sie gehörte dazu und fühlte sich gut dabei.
Glaube selbst ist ein Geschenk, das Gott den Menschen macht
Geschenke bringen Menschen zusammen, sie zeigen: Du bist mir wichtig, ja wertvoll. Wer einem Menschen etwas schenkt, öffnet sein Herz und das ist immer zweiseitig. So gesehen geht es tatsächlich: Man kann seinen Glauben zum Geschenk machen, der Eintritt in die Kirche ist das Zeichen dafür.
Martin Luther hat einmal gesagt, der Glaube selbst ist ein Geschenk, das Gott den Menschen macht. Und was ich von Gott bekommen habe, kann ich getrost weitergeben.