Gesundheit ist keine Hauptsache
Hauptsache gesund. Ein gut gemeinter Wunsch. Wenn ich auf meine monatliche Gehaltsabrechnung schaue, dann scheint sich das zu bestätigen. Da bezahle ich zwar nicht den Hauptteil, aber eine Menge für die Krankenversicherung.
Was wenn diese Hauptsache verloren geht?
Und doch habe ich meine Zweifel. Klar, ich freue mich, dass ich so ziemlich gesund bin. Aber was wäre, wenn nicht? Was wäre, wenn die Hauptsache verloren ginge? Kaum etwas kann das Leben so sehr umstürzen wie eine Krankheit. Vielleicht ist dann sogar das Leben selbst in Gefahr, zumindest aber der Beruf. Finanzielle Nöte drohen und man wird zur Belastung für Familie und Kollegen.
Ist Gesundheit wirklich die Hauptsache?
Insofern kann ich den Wunsch „Hauptsache gesund“ verstehen und auch annehmen. Die Frage bleibt aber, ob die Gesundheit wirklich die Hauptsache ist.
Denn mich haben am meisten Menschen beeindruckt, die krank oder behindert sind. Sie meistern ihr Leben mit und trotz ihrer Krankheit oder Behinderung. Für sie aber gilt der Satz „Hauptsache gesund“ nicht. Angesichts eines Rollstuhlfahrers oder einer MS-Kranken ist er sogar zynisch.
Kraft geliehen und mit Herz beschenkt
Als Helfer auf Reisen habe ich einige intensive Erfahrungen mit behinderten Menschen gemacht. Mit Gruppen zumeist schwer behinderter Menschen tourte ich quer durch Griechenland oder Jamaika. Den Männern und Frauen mit Behinderung habe ich meine körperliche Kraft geliehen. Sie aber öffneten mir ihr Herz und ihr Leben. Körperlich war es auch für mich eine Herausforderung. Seelisch aber war ich der Beschenkte. Und ich staunte über ihren Lebensmut, ihre Einsichten und ihre Dankbarkeit. Sie konnten sich an Dingen freuen, die für mich so selbstverständlich waren, dass ich sie einfach so hinnahm. Klar, auch mich erfrischte das Bad im Meer. Aber wer einmal die Freude von dreizehn Rollstuhlfahrern erlebt hat, die im Mittelmeer baden, der sieht nicht nur das Meer mit anderen Augen.
Was wirklich zählt
Was also ist die Hauptsache, wenn es die Gesundheit nicht ist? Der Evangelist Lukas erzählt im Neuen Testament eine Geschichte von zehn Aussätzigen. Das waren wahrscheinlich Leprakranke. Jesus heilt sie und befiehlt ihnen: „Zeigt Euch den Priestern.“ Denn nur Priester waren befugt, die Ausgestoßenen für gesund zu erklären und sie in die Gesellschaft wieder einzugliedern. Mit diesem priesterlichen Attest kehrt aber nur einer der Geheilten zu Jesus zurück. Die neun anderen sind wahrscheinlich zu ihren Familien gegangen, die sie lange nicht gesehen hatten. Das heißt nicht, dass sie undankbar waren. Aber an diesem einen, der zu Jesus zurückkehrt, wird deutlich: Dankbarkeit verändert das Leben. Diesem gesund gewordenen Menschen führte die Heilung nicht zurück auf die alten Pfade. Sie veränderte sein Leben. Er ist wie neu geboren, sein Leben ist ihm neu geschenkt. Das verdankt er Jesus und das zeigt der Mann Jesus auch.
Die Quelle des Glücks
Der springende Punkt in dieser Geschichte ist nicht die Gesundung der zehn, sondern die Dankbarkeit des einen. Hauptsache dankbar also. Nicht Hauptsache gesund. Gesundheit an sich ist keine Quelle des Glücks. Dankbarkeit macht glücklich.
Eine schwere Krankheit oder Behinderung ist wirklich niemandem zu wünschen. Aber viel ärmer sind die dran, die meinen, wenn sie nur gesund sind, ist das Leben schon gewonnen.
Die Hauptsache ist nicht Gesundheit. Die Hauptsache ist Dankbarkeit. Die Kranken haben mir das beigebracht.