Ein Patentrezept zum Trösten
Wie gehe ich mit Menschen um, die Trost suchen? Was sage ich jemandem, der gerade seinen Job verloren hat? Oder was, wenn ein Kind hinfällt und sich wehtut? In solchen Momenten wünsche ich mir manchmal eine Art Anleitung. Ein Patentrezept zum Trösten.
Die Suche nach dem Patentrezept zum Trösten
In einem Kinderbuch [1] habe ich das entdeckt. Das Buch heißt: „Häschen tröstet“ und ich lese es gerne meinen Patenkindern vor.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Charlie – ein kleiner Junge. Er ist traurig, weil sein Meisterwerk aus Bauklötzchen eingestürzt ist. Verschiedene Tiere meinen, sie hätten das Patentrezept um Charlie zu trösten.
Was hilft?: Darüber reden, so tun als sei nichts passiert?
Das Huhn sagt: „Ich weiß was hilft: Wir müssen darüber reden.“ Der Bär denkt: Charlie muss wütend sein und will mit ihm brüllen. Der Elefant will einfach alles wieder genauso aufbauen.
Andere wollen darüber lachen – so tun als sei nichts passiert – etwas anderes kaputt machen. Aber Charlie will nichts davon. Am Ende bleibt er genauso traurig zurück wie vorher.
Trösten ist kein Befreien von Taurigkeit
Es geht beim Trösten nämlich nicht darum, mit den richtigen Worten oder Gesten oder dem Patentrezept aufzuwarten. Trost heißt nicht: Ich kann mein Gegenüber von Schmerz und Traurigkeit befreien. Das ist ein Anspruch, den niemand erfüllen kann.
Aber es gibt etwas, was wirklich hilft: Das Wort „Trost“ gibt einen Hinweis darauf. „Trost“ hat nämlich den gleichen Wortstamm wie das Wort „Treue“. Und genau die braucht es:
Der Trost, hilft, Emotionen ihren Raum finden zu lassen
Das erlebt auch Charlie im Kinderbuch – mit dem Häschen. Das sitzt nah bei ihm. Für eine ganze Weile. Still. Bis Charlie von sich aus spricht. Dann hört es einfach zu, bleibt treu bei ihm. Und nach und nach durchlebt Charlie all das, was die anderen Tiere ihm vorgeschlagen haben: Er wird wütend, brüllt, weint – und baut einen noch größeren Bauklötzchen-Palast.
Das eine Patenrezept zum Trösten gibt es also nicht. Aber es gibt eine innere Haltung, die Trost überhaupt erst möglich macht - in jeder Situation. Nämlich: da sein. Aushalten. Nicht wegschauen, wenn es schwer wird.
Raum zum Erzählen – ohne sofort Lösungen anzubieten
Sich immer neu darauf einzulassen und dem Gegenrüber den Raum schenken, den er oder sie gerade braucht: Raum zum Erzählen – ohne sofort Lösungen anzubieten. Raum zum Weinen und Frust rausschreien, ohne das Gefühl kleinzureden. Raum für Wut, ohne sie zu bewerten. Raum für Stille – die aushalten. Und am Ende: Raum für neue Hoffnung – zum „Wiederaufstehen“.
Das ist echter Trost: Nicht das perfekte Wort, nicht die richtige Geste. Sondern mitgehen, bei dem was gerade ist. Aushalten. Und in alldem treu an der Seite bleiben.
[1] Cori Doerrfeld, Häschen tröstet, Berlin 2019.