Ein bisschen Ordnung im Urlaub
Ein seltener Moment. Ich habe Urlaub, aber nichts vor. Ein langer Tag ohne Termine. Ich fühle mich ein bisschen verloren. Was mache ich heute? Erstmal einen Kaffee kochen. Dann stehe ich vor dem Kleiderschrank und suche ein T-Shirt, das nicht in der Wäsche ist.
Vielleicht räume ich mal auf
Ich finde alles Mögliche, aber nicht das Shirt. „Vielleicht räume ich mal auf!“, denke ich und ziehe entschlossen die Schublade mit den Socken auf. Ein Paar Strümpfe fliegen als erstes raus, ich mag sie sowieso nicht gern. Dann habe ich eine Jeans in der Hand, die schon länger nicht mehr passt. Dann geht es weiter: Ein Pulli, den ich nie trage, eine Strickjacke, die verbeult aussieht. Es fühlt sich gut an, Platz zu machen. Fühlt sich irgendwie klarer an.
Der Kleiderschrank als Sinnbild für das Leben?
Ach, Kleiderschrank, seufze ich: Du bist ein bisschen so wie mein Leben. Ein bisschen zu voll, aber faszinierend, was darin Platz findet! Mich hat es gepackt. Ich bin eifrig, aber genau bei Aussortieren. Ich finde nicht, dass ein Hemd verschwinden muss, nur weil es ein bisschen ausgeleiert ist. Immerhin habe ich es aus einer schönen Zeit, als ich in München wohnte, das ist lange her. Ich könnte später mal die Freundin anrufen, die damals beim Shoppen dabei war. Ach ja, die Erinnerungen!
Aussortieren macht Platz für Neues...
Ich arbeite mich vom Schrank weg durch die Ecken der Wohnung. Die Kerzen in der Farbe, die ich schon immer hässlich fand, heute kommen sie weg. So geht es weiter. Wie gut! Am Ende gibt es ein bisschen Altglas und einen Stapel Altpapier, es gibt einen Sack mit Kleidung und einen kleinen Stapel Krimis für den öffentlichen Bücherschrank. Ich werde bei der Gelegenheit gleich mal gucken, ob ich nicht einen neuen finde.
... und einen klaren Kopf.
Ich staune, als ich die Kirchturmuhr nebenan 15 Uhr schlägt. Es fühlt sich an wie … Urlaub, nicht so sehr wie Aufräumen. Lauter kleine Erlebnisse hat es gebracht, ein Stückchen innere Klarheit, Zufriedenheit. Was wichtig ist, bleibt. Doch es entsteht auch ein bisschen Platz für das, was kommen mag. Mit leichterem Gepäck scheint es realistisch, dass etwas Gutes Neues passieren könnte. Zuversicht. Aufräumen kann deshalb auch eine geistliche Übung sein. Weil es ums Loslassen geht, ums Erinnern und das Schaffen von Raum. Mein Aufräumen ist weit entfernt von Askese, Kargheit und Besitzlosigkeit.
Was darf bleiben und was kann gehen?
Dennoch zeigt sich auch schon bei meinen Bemühungen: Zu viel Ballast verstellt den Blick aufs Wesentliche. All das, was wirklich wichtig ist und gebraucht wird – sei es im Kleiderschrank oder im Leben –, wird leicht übersehen, wenn alles vollgestopft ist. Mein Aufräumen entwickelt Dynamik und lädt mich ein, die Gelegenheit zu nutzen und genauer hinzusehen, was bleiben darf, was gehen kann, was vorbei ist, weil längst etwas Neues entstanden ist. Ich werde wohl noch ein wenig weitermachen. Entspannt. In der nächsten Zeit, mal zwischendurch. Das bringt mir echte Erholung.