hr2 ZUSPRUCH
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Wienold-Hocke, Katrin

Eine Sendung von

Evangelische Pröpstin, Sprengel Kassel

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Zinsen

Meine EC-Karte hat eine auffallende lila Farbe. Ein freundlicher junger Mann, bei dem ich bezahlen will, hält sie länger in der Hand. Das kenne ich schon. 
„Evangelische Bank“ sage ich. „Ja, habe ich gelesen,“ sagt er. Nehmen die eigentlich auch Zinsen?

Ich bin überrascht. Wie kommt der junge Mann auf diese Frage? Er könnte ein gebildeter junger Moslem sein, vermute ich. Seine Religion verbietet es ihm, Zinsen zu nehmen oder zu zahlen. 

Für einen Kredit zahle ich Zinsen, und ich bekomme Zinsen für mein Erspartes – aber ist das in meinem Glauben so selbstverständlich?

Zinsverbot aus Nächstenliebe im Alten Testament 

„Du darfst von deinem Bruder keinen Zins nehmen, weder auf Geld noch auf Lebensmittel“ - so heißt es klipp und klar in der hebräischen Bibel – deine arme Schwester unterstütze selbstverständlich ohne eigenen Gewinn. (4. Mose 23,20)

Bei Missernten und Krankheit war es in der bäuerlichen Gesellschaft überlebenswichtig, dass man sich mit Saatgut und Geld gegenseitig wieder auf die Beine half. Wer mehr zurück erwartete, als er verliehen hatte, hat Hunger und Elend nur verlängert. Das Zinsverbot diente dem menschlichen Miteinander, der Nächstenliebe. 

Umgang mit Zinsen in den Religionen 

Wir bereichern uns nicht an der Not unserer Geschwister, das ist im Islam und im Judentum geboten – auch im christlichen Glauben.
Jesus sagt streng: Liebt eure Feinde, tut Gutes und leiht, ohne etwas dafür zu erhoffen (Lk. 6, 27-30). 

Ein Gleichnis Jesu, das von Zinsen erzählt

Auf der anderen Seite erzählt er aber ein Gleichnis, in dem ganz selbstverständlich von Zinsen die Rede ist (Mt. 25,14ff). Ein Hausherr verreist und vertraut seinen Dienern Geld an. Zwei von den Dienern arbeiten mit dem Geld und vermehren es. Der Dritte von ihnen vergräbt die Münzen, zur Sicherheit. Dem wirft der Hausherr vor: Du hättest mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, so hätte ich das meine wiederbekommen mit Zinsen (Mt. 25, 27). 

„Komm ins Arbeiten mit dem, was du hast!“ 

Der Hausherr steht im Gleichnis für Gott. Er fragt danach, ob wir uns einsetzen mit unseren Gaben und mit allem, was wir haben. Unser Vermögen zu vergraben ist unsinnig! Komm ins Arbeiten mit dem, was du hast, ist die Aufforderung, dafür habe ich es dir anvertraut.

Wenn man genau hinsieht, ist es aber niemals das Geld selbst, das arbeitet. Es sind die Menschen, die einen Gewinn ermöglichen. Das Geld kann investiert werden, in Krankenhäuser, in der Industrie oder im Handel. Sinnvolle Arbeit kann damit ermöglich werden und eine ordentliche Bezahlung. Für meine Rendite soll niemand ausgebeutet werden und in Armut leben. Das ist ein Maßstab für die Geldanlagen. Damit erziele ich wahrscheinlich nicht den höchsten Gewinn in Prozenten, aber doch einen Mehrwert für das Miteinander. 

Das wünsche ich mir von jeder Bank.

Dem jungen Mann an der Kasse habe ich geantwortet: Ja, ich zahle Zinsen, und ich hoffe, dass mit dem Geld Gutes geschieht.