hr2 ZUSPRUCH
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Wucherpfennig, Dr. Ansgar

Ein Sendung von

katholischer Theologe, Kassel

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Die Haut: eine dünne Membran zur Außenwelt

Diese Woche steht ein Termin beim Hautarzt in meinem Kalender. Seit Kurzem soll ich meine Haut jedes halbe Jahr kontrollieren lassen. Ich habe einen hellen Hauttyp, und deshalb bin ich anfällig für Hautkrebs. Die Hautärztin hat mir erklärt, dass die Sonnenbestrahlung in der Haut eingespeichert wird. Deshalb brauche ich nicht nur den unmittelbaren Schutz bei Sonnenschein, sondern auch die Kontrolle.

Eine Verbindung von meiner Haut zu meinem Herzen

Nicht nur der Sonnenschein kann unter die Haut gehen, auch anderes. Dazu gehört nicht nur Unangenehmes. In einem alten Jazz-Standard heißt es: “I have got you under my skin“ – “Ich habe dich unter meiner Haut, ich habe dich tief in meinem Herzen, so tief, dass Du wirklich ein Teil von mir bist.“ Meine Haut ist eine dünne Membran zur Außenwelt. Die Haut ist die Grenze meines Ich, aber sie lässt auch andere Menschen an mich heran. Es gibt eine Verbindung zwischen der Haut und meinem Herzen. Wenn ich jemand an meine Haut heranlasse, dann findet sie oder er oft auch einen Weg zu meinem Herzen.

Ihr Streicheln hat mir die Angst genommen

Ich erinnere mich daran, wie meine Mutter mir als Kind über die Haut gestreichelt hat, wenn ich Angst vor etwas hatte, etwa bei einem Sommergewitter in der Nacht. Meine Haut hat also nicht nur die Sonnenstrahlen gespeichert. Meine Mutter hat einen festen Platz in meinem Herzen, ihr Streicheln spüre ich immer noch.

Verletzungen hinterlassen Narben auf der Haut

Haut ist aber auch verletzlich. Narben und Wunden zeigen sich auf der Haut, und manche davon gehen nie wieder weg. An der Haut eines Menschen lässt sich auch eine Geschichte seiner Verletzungen ablesen. Oft haben diese Verletzungen etwas Intimes. Darüber erzählen Menschen nicht gern und wenn, dann nur, wem sie sehr gut vertrauen können.

Jesus zeigt als Auferstandener seine verletzte Haut

Mich bewegt, dass Jesus als Auferstandener seinen Jüngerinnen und Jüngern seine verletzte Haut zeigt. Er zeigt ihnen die Wunden der Folter vor seinem Tod und die letzte Wunde an seiner Seite. Bei einem seiner Jünger, Thomas, lässt Jesus sogar zu, dass dieser seine Wunden berührt. Jesus hat sich unser menschliches Leben unter die Haut gehen lassen. Er hat die Verletzungen geteilt, die Menschen erfahren, und daran kann man ihn wiedererkennen.

Heilung braucht achtungsvolles Zuhören und Spüren

Es braucht lange, dass Verletzungen heilen; das weiß ich auch aus vielen Gesprächen - als Seelsorger, aber auch als Freund. Zum Heilen braucht es ein achtungsvolles Zuhören, ein Spüren und Fragen, was jemand gerade braucht.

Wenn ich Verletzungen zeige, wird Heilung möglich

Aber Verletzungen gehören zu mir. Das merke ich auch an meiner Haut. Manche Narben sind sehr alt, und ich spüre sie immer noch. Dass auch der auferstandene Jesus seine verletzte Haut zeigt, bedeutet für mich: Verletzungen gehören zum Leben. Und wenn ich sie zeige, dann wird Heilung möglich. Das ist meine Hoffnung.