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Jelinek, Carmen

Eine Sendung von

Evangelische Dekanin, Kirchenkreis Kaufungen

Für andere da sein

Für andere da sein

Svenja hat sich viele Jahre ehrenamtlich engagiert, und ich kannte sie als Menschen, der gern für andere da ist.

Ich dachte immer, das gehört zu ihrem Wesen, bis sie am Telefon immer wieder erzählte, was sie nun nicht mehr tun wolle: Die Homepage der Kirchengemeinde pflegen, im Chor mitsingen, nicht mehr im Vorstand des Mehrgenerationenhauses tätig sein. Laufend sprach sie von Dingen, die sie nicht mehr zu tun bereit sei. Das ging über Jahre, und es fiel mir schwer, das immer wieder anzuhören und mitzuerleben, wie sie nach und nach ihr gesamtes Engagement abbaute. Dahinter stand bei ihr offensichtlich die Vorstellung, dass sie in ihrem Alltag ständig fremdbestimmt und vielleicht sogar ferngesteuert ist. Viele empfinden das so: Es könnte sein, dass wir unser eigentliches Leben irgendwie verpassen. 

Aber: Für die Familie und die Arbeit leben, sich in sozialen Netzwerken bewegen, heißt das, nicht für sich selbst da sein?

Zu keiner Zeit, gab es so viele Möglichkeiten, etwas für das eigene Wohlbefinden zu tun wie heute: Ein Vollbad nehmen bei Kerzenschein, Wellness-Urlaub machen, Entspannungskurse belegen, gut essen gehen, im Fitnessstudio trainieren oder einfach faul auf der Couch liegen.

Trotzdem fühlen sich viele Menschen ständig überfordert oder eben fremdbestimmt. Sie haben das Gefühl, dass sie ein Leben führen, das sie innerlich nicht erfüllt.

Von Jesus stammt der Satz: Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen. (Johannes 10,10).

Damit meint Jesus kein Leben, wo wir allem aus dem Weg gehen, was uns fordert. Und schon gar nicht, sich selbst genügen und jeder Auseinandersetzung ausweichen.

Ich stelle mir vor, da wären keine Menschen mehr, an denen ich mich reiben oder für die ich etwas tun kann. Ich stelle mir vor, ich wäre ganz allein. Klar ärgert mich dann auch keiner mehr, aber öde wäre es schon. Ich glaube, es tut uns letztlich gut, für andere da zu sein, auch wenn wir nicht gleich merken, was es uns bringt. Ich habe kürzlich einen Besuch im Altenheim gemacht. Der führte mich langsamen Schrittes mit der Bewohnerin nach draußen. Hinterher habe ich gemerkt, wie gut mir die Entschleunigung getan hat. 

Es sind in Wirklichkeit nur kleine Zumutungen, sich den Bedürfnissen anderer Menschen auszusetzen.

Die wirkliche Herausforderung ist zu erkennen, dass ich nicht alles besitzen und erleben muss – und kann – und dennoch volle Genüge in meinem Leben haben kann, wie Jesus es sagt. Zuwendung kostet kein Geld. Aber sie ist ein wesentlicher Teil des Lebens, der Zeit, von der viel vorhanden ist.