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Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Darmstadt

In der Spannung leben - Karsamstag oder Ostersamstag?

Was ist heute eigentlich für ein Tag? Wochenende, klar. Aber heißt es nun Karsamstag oder doch Ostersamstag? Was bestimmt meine Stimmung an diesem Tag? In welche Richtung gehen die Gedanken? Sicher, heute haben die Geschäfte geöffnet. Zum Glück, denn es muss noch einiges besorgt werden für die Oster-Feiertage. Vielleicht kommen morgen Freunde zum Osterbrunch. Oder die Familie trifft sich zum Ostereiersuchen. Heute werden bei uns auch die Ostereier gefärbt. Doch obwohl mir all dies heute durch den Kopf geht, fühlt sich der Tag doch etwas anders an.

Gestern im Gottesdienst erinnerten sich Christen und Christinnen weltweit an den Tod Jesu. Ich war eine von ihnen. Der Gottesdienst in unserer Kirche hatte eine besondere Form. Der Altar war leergeräumt, aller Schmuck aus der Kirche herausgetragen. Die Glocken schwiegen ebenso wie die Orgel. Wir haben auch gehört, wie viele Menschen in der Welt ihre Hoffnung verlieren. Nach dem Gottesdienst gab es keinen Kirchenkaffee wie sonst. Es war ein Trauergottesdienst. Das geht mir noch nach. Das war gestern.

Doch daneben spüre ich auch schon meine Freude auf morgen. Auf das Fest. Die schön geschmückte Kirche. Ich freue mich auf die Freunde und Freundinnen, die zu Besuch kommen. Darauf, Ostereier im Garten zu verstecken für die Kinder.

Denn ich weiß ja schon, wie die Geschichte von Jesus weiter geht. Jesus bleibt nicht tot. Er wird auferstehen. So erzählen es die Berichte in der Bibel. Sie beruhen darauf, dass Frauen und Männer damals erfahren haben, dass Jesus den Tod überwunden hat. Morgen werden wir diesen Sieg des Lebens feiern. Und wieder anfangen zu hoffen. Passend dazu blühen die Osterglocken unter der noch kahlen Birke vor meinem Fenster.

Der Tag heute steht dazwischen. Zwischen Gestern und Morgen. Zwischen Trauer und Freude. Er ist wie eine Grenze zwischen beidem. Eine Grenze die sie verbindet und doch auch voneinander trennt. Von Rainer Maria Rilke stammt ein kurzes Gedicht, das beschreibt, worin der Reiz dieses Dazwischen liegt:

Was heißt gestern? Was heißt morgen?
Ich meine, das muss man vermischen.
Was heißt Sehnsucht, was heißt Sorgen?
Das Leben liegt gerade dazwischen.

So weit Rilke. Das stimmt mit dem Leben dazwischen. Keiner kommt raus aus der Spannung zwischen Tod und Leben. Ich weiß von Hoffnungslosigkeit in der Welt und gleichzeitig kann ich mich freuen und glücklich sein. Ich sorge mich um die Zukunft und ich genieße den Augenblick. Ich weiß um den Tod und hänge am Leben.

Was ist heute eigentlich für ein Tag? Karsamstag oder Ostersamstag? Dieser Samstag ist der Tag dazwischen. Und damit der Tag an dem ganz deutlich wird, wie wir eingebettet sind in Gottes Geschichte mit der Welt. Im Blick auf Ostern glaube ich: Gott schenkt uns Kraft mit dieser Spannung zu leben.