Schwesternkoffer
Halb so groß wie eine Seemannskiste. Vielleicht vierzehn an der Zahl. So stehen sie da. Fein säuberlich in einer Reihe nebeneinander. Die Schwesternkoffer. Auf dem Dachboden des Marienheims in Fulda. Ich entdeckte sie, als ich mit dem Hausmeister des Alten- und Pflegeheims einen Tisch vom Speicher holen wollte. Für eine Geburtstagsfeier im Gruppenraum. „Das sind die Kisten der Ordensschwestern. Was da rein ging, so viel durfte eine Schwester als Privatbesitz haben.“ Die Schwesternkoffer. Sie sind mir nachgegangen.
Heute gibt es noch vier Schwestern – Vinzentinerinnen - im Marienheim. Schwester Anna Bonifatia ist eine von ihnen. Auch ihr Schwesternkoffer steht auf dem Dachboden. Als Schwester Bonifatia vor 52 Jahren vom Mutterhaus ausgesandt wurde, erhielt sie ihn. Gefüllt mit Wäsche und Kleidung. Ihre persönlichen Habseligkeiten passten in eine Handtasche und einen kleinen Koffer.
Ganz anders sieht es in meinem Leben aus. Unser Haus ist voll. Vom Keller bis zum Dachboden. Dinge, die uns wichtig sind. Von denen wir uns schwer trennen. Auch viel Überflüssiges ist dabei. Aber wegwerfen mag ich es nicht. Man könnte es ja noch einmal brauchen…..Manchmal ist die Fülle wie ein Ballast. Dann beneide ich die Ordensschwestern. Die ‚Schwesternkoffer‘ fordern mich heraus. Fragen mich, was wirklich wichtig ist und zählt im Leben. Das gilt für meine materiellen, äußerlichen Güter. Und für meine inneren ‚Werte‘. Was ist wirklich notwendig? Was nährt und trägt das Leben?
Darum geht es morgen im Gottesdienst. Um das ‚Lebensmittel‘ des Glaubens. „Ich bin das Lebensbrot, das vom Himmel herabgekommen ist“, sagt Jesus. „Wer glaubt hat das ewige Leben“. Die Perspektive der Ewigkeit relativiert so manches. Wenn ich Gottes Welt in den Blick bekomme, kann ich vielleicht gelöster, gelassener leben. Auch freier und unabhängiger von den Dingen dieser Welt. Für mich sind die Schwesternkoffer ein Zeichen. Sie haben zu tun mit dem Brot des Lebens. Und der Ewigkeit. Nicht jeder kann einem Orden beitreten. Aus einem Schwesternkoffer leben. Aber sich ab und an auf das Wesentliche besinnen, hilft zum Leben. Wie in der Geschichte vom Wanderer im Kloster. Die geht so:
Ein Wanderer darf in einem Kloster bei Kartäusermönchen übernachten. Er ist sehr erstaunt über die spartanische Einrichtung ihrer Zellen und fragt die Mönche: „Wo habt Ihr Eure Möbel?“ Schlagfertig fragen die Mönche zurück: „Ja, wo haben Sie denn Ihre?“ „Meine?“ erwidert darauf der Wanderer verblüfft. „Ich bin ja nur auf der Durchreise hier!“ „Eben“, werfen da die Mönche ein, „das sind wir auch“.