Was Klaus im Leben wichtig ist
Klaus ist glücklich. Er hat ein neues Lebensrezept. Klaus sagt nämlich: Verweigerung ist eine Tugend.
Das kam so: Klaus war einer, der alles machte. Den Beruf mit Anspruch. Die Kinder hat er betreut, beraten. Ihnen geholfen, wo immer es ging. Er war in zwei Vereinen, im Bauausschuss der Stadt und im Kirchenvorstand der Gemeinde. Klaus hilft, hat er immer gedacht. Klaus ist da, wo es geht. Und hat es gerne gemacht. Wenn der Pfarrer anrief, war Klaus zum Vorlesen im Gottesdienst. Wenn eine Mitarbeiterin krank war, hat Klaus auch ihre Arbeit gemacht. Wenn spätabends einer anrief und einen Rat wollte, war das zwar nicht schön, aber Klaus war zur Stelle. Seine Frau seufzte manchmal, aber meistens schwieg sie. Das konnte sie auch, denn Klaus merkte selber eines Tages: Irgendetwas stimmt nicht. Warum mache ich so viel? Will ich überall anerkannt sein und geliebt werden? Er spürte dann: Ich leide; und zwar leide ich an einem Zuviel an Möglichkeiten. Ich wähle nicht mehr aus, nehme alles und bewerte nichts mehr.
Wenn man eine richtige Idee hat, muss man sie zu Ende denken. Das macht Klaus. Beruf, Haus, Garten, Kinder, Kirche, Vereine, Praktikanten, Telefonieren, Kino gehen, Feste feiern - Klaus wird schwindelig, als er sich alles aufzählt. Manchmal läuft es wie geschmiert, äußerlich; aber in Wahrheit ist es zu viel. Viel zu viel. Ich schaffe es nicht, auch wenn es für andere so aussieht. Ich spüre ja, sagt sich Klaus, dass es nicht geht.
Das ist der Augenblick für‘s neue Lebensrezept. Nicht sofort, aber nach ein paar Tagen weiß Klaus: Verweigerung ist eine Tugend. Heute eine der wichtigsten, um das Leben wieder zu spüren und sich am Leben zu freuen. Verweigern heißt nicht einfach Nein sagen. Verweigern ist sortieren und auswählen: Was brauche ich? Was schaffe ich - und was nicht? Wer braucht mich wirklich? Ich will ja nicht im Kämmerlein sitzen und nur vor mich hin dämmern. Ich will am Leben teilnehmen. Aber richtig. Nicht überall ein bisschen. Sondern weniger, dafür mit ganzem Herzen.
Je mehr das Leben mir verspricht, desto vorsichtiger muss ich sein. Ich will mich nicht verzetteln und verlieren in Hunderterlei, sagt Klaus. Ich will weniger - und das gut machen.
Zwei Jahre geht das jetzt so mit Klaus. Ich habe wieder ein Gefühl für mich, sagt er. Und darum ein Gefühl für andere. Ich spüre mich wieder besser, wenn ich glücklich bin oder ängstlich oder, wie meistens, einfach zufrieden. Verweigern ist heute eine Tugend, weiß Klaus. Und hat auch einen Satz dafür: Soll ich denn die ganze Welt gewinnen und mich selbst dabei verlieren?
Wichtig im Leben, sagt Klaus heute, ist nicht das viele Machen. Wichtig ist zu spüren, wie groß die Gnade ist zu leben.