Spannungen aushalten?!
Einer der Propheten der Bibel heißt Habakuk. Was von ihm berichtet wird, lässt darauf schließen: Er war ein zäher Knochen und ein wütender Mann. Im sechsten Jahrhundert vor Christus hat er gelebt und Streit und Korruption beobachtet. Er regte sich darüber auf, dass schwachen Menschen Gewalt angetan wird, und dass sich die Betrüger durchsetzen. Das Rechtssystem erschien ihm völlig ausgehöhlt.
Habakuk schwieg nicht zu dem Elend, das er sah. Er schluckte nicht die Wut, die er empfand, sondern er klagte an. Er erhob seine Stimme. In der Stadt, im Land, und auch vor Gott. Er fragte Gott, wie er bei all dem zusehen kann, ohne etwas zu tun. Er forderte Gott heraus: Sei nicht taub für die Not der Menschen. Greife ein!
Fast unverschämt und dreist erscheinen einem die Worte, wenn man das Buch Habakuk liest. Dieses nur drei Kapitel umfassende Prophetenbuch im Alten Testament erinnert an Hiob, den deutlich bekannteren Ankläger Gottes.
Habakuk wurde in späterer Zeit immer wieder aufgegriffen, wenn Menschen in Not waren und Worte brauchten um das auszudrücken, was sie fühlten und was sie Gott sagen wollten.
Aber was ist es, das Habakuk zu einem Tröster in schweren Zeiten werden lässt? Ich finde: Es tut mir und anderen sehr gut, die eigene Not in Worte zu fassen und vor Gott auszusprechen, im Gebet. Dazu macht mir Habakuk viel Mut, mit seiner unverblümten Rede.
Aber Habakuk ist auch auf der Suche nach Antworten, Er sagte: „Ich will Ausschau halten, um zu sehen, was Gott zu mir reden wird.“ (Hab 2,1b) Habakuk machte seine Ohren ganz weit, er wollte nicht verpassen, eine Antwort Gottes zu hören.
Und so veränderte sich etwas bei Habakuk, während die äußeren Umstände gleich blieben. Habakuk wartete. Damit hatte er sich innerlich ausgerichtet auf ein gutes Ende, obwohl das noch offen war. Ein Happy End fehlt in seinem Buch. Literarisch ist das vielleicht enttäuschend, aber wenn ich es mit meinem Leben vergleiche, finde ich es ausgesprochen realistisch.
Manchmal gibt es Lebensumstände, in denen ich daran leide, dass das Ergebnis noch offen ist. Viele Dinge in meinem Leben kann ich gestalten, für vieles kann ich mich aktiv einsetzen. Aber manchmal ist ein schnelles Handeln nicht die beste Lösung.
So erzählte mir eine Mutter von einem Konflikt mit ihrer Tochter, bei dem sie merkte, dass der Zeitpunkt für ein klärendes Gespräch noch nicht gekommen war, und sie wartete geduldig, bis es möglich war, Dinge offen anzusprechen, auch wenn ihr das Warten schwer fiel. Wie gut, wenn ich dann im Gebet ein Ventil habe, durch das ich meinen Dampf bei Gott ablassen kann.
Ich habe das erlebt. Gott kann meine innere Einstellung ändern, auch wenn sich äußerlich noch gar nichts getan hat. So wie bei Habakuk.
So krieg ich wieder Hoffnung. Und es löst sich auch schon viel von der Spannung, die sich in mir aufgebaut hat, weil mein Leben gerade nicht so ideal ist, wie ich es gerne hätte.