hr2 ZUSPRUCH
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Eine Sendung von

Journalistin und Autorin im Ruhestand, evangelisch, Frankfurt

Ein Mann und seine Mission

Ein Mann und seine Mission

Auf dem Schreibtisch dieses Mannes standen zwei Fotos. Das eine zeigt einen zerlumpten kleinen Jungen, der angstvoll die Arme über den Kopf hebt vor den Gewehrläufen der Nazi-Schergen. Das andere, ein Farbphoto, zeigt die patriarchale Gestalt des weißhaarigen Ben Gurion, des ersten Premierministers Israels, wie er, seinen kleinen Enkel an der Hand, kräftig in der Wüste Negev ausschreitet. Der Mann, der sich mit diesen Fotos täglich an deutsche Verbrechen und israelische Selbstbehauptung erinnern ließ, hieß Axel Springer. Er war eine der erfolgreichsten, aber auch umstrittensten Verlegerpersönlichkeiten der Nachkriegszeit und ein Mann mit vielen Gesichtern.

Axel Springer, der 1985 starb, wäre heute, am 2. Mai, hundert Jahre alt geworden. Das Jüdische Museum in Frankfurt hat das zum Anlass genommen, dem Bild Springers in der Öffentlichkeit eine Facette hinzuzufügen, die für viele, vor allem die Jüngeren, eine Überraschung sein dürfte: Axel Springer, der sich uneingeschränkt zur deutschen Schuld und ebenso uneingeschränkt zum Staate Israel bekennt. Schon der Titel der Ausstellung ist beziehungsreich: „Bild dir dein Volk! Axel Springer und die Juden“.1

Da klingt an, was die meisten Menschen vor allem mit Springer verbinden: „Bild“, das Boulevardblatt, das Springer vor 60 Jahren gründete, und das es in guten Zeiten auf über 5 Millionen Auflage täglich und dreimal so viele Leser brachte. Was also in „Bild“ politisch vorgegeben wurde, bestimmte den Stammtisch so gut wie die Kleine Lage im Kanzleramt.

Und da gab es neben viel nackter Haut, einem glühenden Antikommunismus und dem Beharren auf nationaler Wiedervereinigung kein Thema, das mit solcher Verlässlichkeit seinen Platz in diesem Blatt gehabt hätte wie die Verbrechen der Nazis an den Juden, und das Lebensrecht des Staates Israel.

Bis heute gelten für alle im Springer-Konzern erscheinenden Zeitungen („Die Welt“ zum Beispiel, oder das „Hamburger Abendblatt“) Redaktionsgrundsätze, in denen die Förderung der Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden und die Verteidigung des Existenzrechts des Staates Israel zur Pflicht gemacht werden. Der nicht verhandelbare innere Auftrag, den Axel Springer in Bezug auf die Juden und den Staat Israel fühlte, trägt durchaus religiöse Züge. Hinter der glänzenden Fassade dieses konservativen Pressezaren nisteten innere Unruhe und metaphysische Bedürfnisse. Springer war ein Gottsucher. Man ahnt das mehr als dass es in der Ausstellung thematisiert wird. Ein elektronisches Schriftband gibt den Hinweis. „Die zweite Heimat jedes Christen ist Israel“..

Da schwingt etwas mit von der theologischen Überzeugung der bleibenden Erwählung der Juden durch Gott, ein Gedanke, der auch den protestantischen Kirchen nicht fremd ist.

Was mache ich mit diesem religiös unterfütterten Philosemitismus des Medientycoons Axel Springer? Hatten nicht zu seinen engsten Mitarbeitern,und Beratern durchaus ehemalige Nazis gehört?

Aber dann denke ich an die ungeheure Medienmacht, die sich in Springers Händen ballte und kann nicht umhin, es in dieser historischen Situation für einen Glücksfall zu halten, dass er in diesem Punkt nicht populistisch dachte und konsequent darauf verzichtet hat, dem noch kräftig eingewurzelten Antisemitismus Futter zu geben. Die Alternative möchte ich mir nicht vorstellen.

 

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(1) Die zusammen mit dem Fritz-Bauer-Institut entwickelte Dokumentation läuft im Jüdischen Museum Frankfurt am Main bis 29. Juli 2012