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Wöllenstein, Andrea

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Marburg

Ein hörendes Herz

Ein hörendes Herz

„Gib mir ein hörendes Herz“, bittet Salomo, der König von Israel. (1. Könige 3) Was für ein schöner Wunsch! Ein hörendes Herz - offen für andere, offen für Neues, offen für Begegnung. Nach dem Tod seines Vaters David soll Salomo die Macht übernehmen. Eine große Aufgabe für einen jungen Mann! Wie kann er ihr gerecht werden? Salomo träumt und im Traum macht Gott ihm ein traumhaftes Angebot: „Bitte, was ich dir geben soll!“ Was soll er wählen? Reichtum und Macht? Sieg über die Feinde, ein langes Leben? Salomo muss nicht lange überlegen. Er bittet: „Gib mir ein hörendes Herz!“

Es ist ein Unterschied, ob ich mit dem Herzen höre oder mit dem Kopf. Mit dem Kopf sind wir schnell dabei, zu interpretieren und zu werten. Jemand erzählt etwas. Aber anstatt zu hören, fängt die Denkmaschine an zu rattern. Sie sortiert, vergleicht, steckt in Schubladen. Und ganz schnell entstehen Missverständnisse. Weil ich nicht höre, was die andere bewegt, sondern ich in meinen eigenen Programm bin. Mit dem Herzen hören heißt: eine Verbindung herstellen zum anderen aus meiner Mitte heraus. In einem Buch mit dem schönen Titel: „Herz öffnen statt Kopf zerbrechen“ schreibt die Autorin (Safi Nidiaye): „Der Schlüssel zu allen menschlichen und zwischenmenschlichen Problemen liegt im Herzen. Wer ihn finden will, muss aufhören, sich den Kopf zu zerbrechen und anfangen, sein Herz zu öffnen.“

Eine wissenschaftliche Studie unterstützt diese These. Sie beschreibt, dass in unserem Universum alles durch elektromagnetische Felder verbunden ist. Auch der menschliche Körper hat sein elektromagnetisches Feld. Jeder Teil des Körpers hat ein eigenes Feld mit unterschiedlicher Stärke. Ein internationales Team von Forschern hat nun herausgefunden: Das absolut stärkste elektromagnetische Feld geht von unserer Mitte aus, von unserem Herzzentrum. Das magnetische Feld des Herzens hat 5000-mal mehr Kraft als das des Gehirns. Diese Felder werden durch Gefühle gesteuert. Die Gefühle, die wir haben, werden mit dieser Stärke in die Welt geschickt.

Wenn wir also Mitgefühl und Dankbarkeit im Herzen fühlen, hat das eine enorme Wirkung. Zuerst auf die anderen Organe in unserem eigenen Körper. Und dann, wenn sich unser Herz öffnet, wenn es ein „hörendes Herz wird“, breiten sich diese Schwingungen aus und erreichen unser Umfeld in viel stärkerem Maße, als Worte das können. Die Gedanken sind nicht so entscheidend wie die Gefühle im Herzen. Sie schwingen 5000-mal stärker. Was diese Studie herausgefunden hat, wissen wir längst aus eigener Erfahrung. Jemand sagt etwas, nette Worte, aber was er ausstrahlt, vermittelt eine ganz andere Botschaft. Und andersherum: Wenn wir selber nicht offen und mit dem Herzen dabei sind, ist es schwer, miteinander in Kontakt zu kommen in einer herzlichen, offenen Atmosphäre.

„Gib mir ein hörendes Herz“. Ein guter Wunsch ist das. Eine Bitte, die eigentlich am Anfang jedes Tages stehen könnte. Wie ein Morgengebet: Öffne mich, Gott. Öffne meine Ohren, meine Augen, meine Stimme. Gib mir ein hörendes Herz – offen für dich und offen für den Tag mit all dem, was mir begegnet.