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Eine Sendung von

Hochschulpfarrerin an der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) in Mainz

Schifra und Pua

Schifra und Pua

Schifra und Pua waren zwei Hebammen am Hof des ägyptischen Pharaos. Sie lebten zu einer Zeit, als viele Männer und Frauen aus Israel in Ägypten gefangen waren und Sklavenarbeit verrichten mussten. Im Alten Testament wird davon berichtet, wie sich die beiden Hebammen einem furchtbaren Befehl widersetzten und bis heute damit Maßstäbe gesetzt haben.

Der Pharao war als König von Ägypten ein mächtiger und reicher Mann. Er befehligte einen großen Hofstaat und ein starkes Heer. Trotz seiner Macht missfiel ihm, dass die Israeliten in seinem Land immer mehr wurden. Deshalb befahl er seinen Soldaten, alle männlichen Babies aus Israel zu töten. Das ordnete er auch allen Hebammen an. „Ihr seid die ersten, die von einer Geburt erfahren. Wenn die Säuglinge männlich und hebräischer Herkunft sind, dann tötet sie!“. Da kamen Schifra und Pua, die beiden Hebammen ins Spiel. Sie reagierten entsetzt: „Wie kann er das nur anordnen? Das ist unmenschlich!“ „Das machen wir nicht!“ Wir sind doch keine Mörderinnen. Wer so einen furchtbaren Befehl gibt, ist entweder verrückt oder machtbesessen. Und der Pharao ist wahrscheinlich beides!“

Die beiden waren sich einig, dass sie dem Befehl nicht gehorchen werden, auch wenn sie Angst um ihr eigenes Leben hatten. Aber sie glaubten, dass Gott sie beschützen würde. „Wir sind doch dafür da, Leben auf die Welt zu bringen und nicht Leben zu zerstören!"

Als der Pharao merkte, dass die Hebammen Widerstand leisteten, bestellte er sie zu sich, um sie zu bestrafen.

„Aber wir können doch nichts dafür!“ redeten die beiden sich heraus. „Immer wenn wir zu den hebräischen Frauen kommen, sind die Kinder schon geboren. Sie geben uns nicht rechtzeitig Bescheid, und nach der Geburt können wir nichts mehr machen.“ Die beiden Hebammen zitterten vor Angst. Aber sie blieben standhaft. Mit ihrer Notlüge verhinderten sie, dass sie zu Handlangerinnen eines grausamen Befehls wurden. Sie widersetzten sich, und der Pharao war so überrascht von ihrer Antwort, dass er sie ziehen ließ.

Widerstand zu leisten in einem autoritären System ist meistens lebensgefährlich. Das zeigen die Geschichte von Schifra und Pua wie auch andere Widerstandserzählungen. Die Geschwister Scholl wurden hingerichtet für ihre anti-nationalsozialistischen Flugblätter. Genauso erging es den Hitler-Attentätern vom 20. Juli 1944. Aber nicht nur spektakuläre Widerstandsaktionen beeindrucken mich, sondern die vielen kleinen widerständigen Haltungen und Handlungen: z.B. Ärzte und Pflegerinnen im Dritten Reich, die Listen mit behinderten Menschen verschwinden ließen und sie damit vor der Ermordung bewahrten. Männer und Frauen, die Verfolgte versteckten und ihnen damit das Leben retteten. Oder aktuell die Aufständischen in Tunesien, Ägypten und Libyen, die ihren despotischen Herrschern die Gefolgschaft verweigern und auf die Straße gehen. Soldaten, die sich weigern, auf ihre Landsleute zu schießen. Manchmal kann man nur wenig entscheiden, aber man kann auch mit kleinen Schritten etwas bewirken, wie Schifra und Pua.

Mose wurde als Säugling vor der Ermordung bewahrt. Als Erwachsener rettete er sein Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten. Schifra und Pua sei Dank!