Karsamstag oder Ostersamstag – ein Tag im Dazwischen
Heute ist Ostersamstag. Bei meinen Eltern wurde an diesem Tag immer die Häschenschule aus dem Keller geholt, dann die Kartons mit den bemalten Eiern vorsichtig geöffnet. Vom Spaziergang wurde ein Strauß von Zweigen mitgebracht. Und dann war meiner Mutter auch immer noch wichtig, dass es an Ostern neue Kleider gibt. Neue Kleider und Schuhe. Ostern, da wird buchstäblich alles neu.
Manche Leute nennen den heutigen Tag aber gar nicht Ostersamstag, sondern Karsamstag. Bis zu dem Zeitpunkt, wenn am Ende der Nacht zum Sonntag die Sonne aufgeht, so lange dauert für sie die Zeit der Trauer. Wie heißt es im apostolischen Glaubensbekenntnis: „Gekreuzigt, gestorben und begraben, hinab gestiegen in das Reich des Todes.“
Ich war schon immer froh, dass ich wusste, wie die Geschichte ausgeht, ja mehr so gar, dass sie phantastisch gut ausgeht. Christ ist erstanden! Das ist der Ostergruß und im Gottesdienst ist es, wie ich finde, sehr erhebend, wenn dann viele Leute zusammen antworten: „Er ist wahrhaftig auferstanden.“ Aber neben und hinter dem Glauben gibt es doch trotzdem auch Zweifel an der Botschaft von der Auferstehung: vielleicht hat der Tod doch das letzte Wort in unserem Leben? Vielleicht folgt dem Karsamstag kein Ostern?
Der Tod macht Angst. Ina Praetorius, eine evangelische Theologin aus der Schweiz, die selbst schwer an Multiple Sklerose erkrankt ist, sagt: „Manchmal fühlt es sich schlimm an, dass ich eines Tages keine Blumen mehr sehen, keinen Wind mehr spüren und keine Erdbeeren mehr essen werde. Und noch viel schlimmer ist es, dass die Menschen, die ich liebe, eines Tages nicht mehr sein werden … Nicht immer, aber manchmal habe ich Angst vor dem Tod, weil ich nicht verstehe, was der Tod ist. Weil ich, so sehr ich mich auch bemühe, nicht über die Grenze hinaus schauen kann.“ Das sind ehrliche Worte, die ich gut verstehen kann.
Für mich ist es so, dass ich häufig so eine Art Resignation verspüre, dass da nichts ist auf der Welt, was nicht Sterben wird, vielmehr kommt mir das Sterben jeden Tag näher.
In diesen Situationen bin ich froh, wenn jemand zu mir sagt, dass es normal ist, Todesangst zu haben. Es tröstet mich, wenn ich im Johannesevangelium lesen kann, was Jesus zu seinen Jüngerinnen und Jüngern kurz vor seinem Abschied gesagt hat: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Joh 16, 33). Jesus selbst hatte Angst vor dem Tod, er ist mit einem Schrei im Halse gestorben, so erzählen das Markus und Matthäus. Der Satz aus dem Glaubensbekenntnis, „hinab gestiegen in das Reich des Todes“, steht übrigens nicht in der Bibel. Aber es ist ja ein starkes Bild dafür, dass auch Jesus, der Christus, sterben musste und dass er vom Reich des Lebens in das Reich des Todes hinüber musste. Doch er musste dort nicht bleiben. Im Glaubensbekenntnis heißt es dann: „Am dritten Tage auferstanden von den Toten …“
Man weiß, dass der Tod nach einem greift. Daran zu glauben, dass es eine Auferstehung gibt und Gott uns neues Leben schenkt, das verlangt schon mehr von einem. Dass man hofft und die eigene Hoffnung sichtbar ausdrückt: Eier, Hasen, neue Kleider. Ein Tag voller Vorfreude auf das ewige Leben. Das ist Ostersamstag.