Internet-Friedhöfe – Wege aus der Trauer?
Sie heißen „straße-der-besten“ oder „ewiges-leben“. „engel-sterne-himmelszelt“ und „eMORIAL“: Friedhöfe im Internet. Da wird natürlich niemand begraben. Ein InternetFriedhof ist eine Sammlung von Erinnerungsseiten für Verstorbene. Man kann virtuell Kerzen anzünden und Grabsteine gestalten, Fotos und kurze Filme ins Netz stellen oder sich mit tröstenden Worten in Kondolenzlisten eintragen.
Vorstellen kann man sich das Ganze wie eine Art facebook für Verstorbene, gepflegt von Trauernden.
Der heute zu Ende gehende November wird auch als Trauermonat bezeichnet. Zugegeben, in diesem November gab es viele schöne Tage, aber meistens stimmt‘s: Es ist trüb und grau und nasskalt. Die Blätter fallen und erinnern uns an die Vergänglichkeit allen Lebens. Und viele Dichter haben sich den Vergleich des ersten Schnees mit einem Leichentuch nicht verkneifen können. Der November ist gleichsam eine natürliche Zeit für die Trauer und das Nachdenken über den Tod. Auch im kirchlichen Kalender hat die Trauer im November ihre besondere Zeit. Der November beginnt mit Allerheiligen, dem Tag, an dem katholische Christen in besonderer Weise ihrer Toten gedenken. Und der letzte Sonntag vor dem Advent heißt Totensonntag. Das war der vorletzte Sonntag, Da gingen auch viele evangelische Christinnen und Christen auf den Friedhof. Sie denken an diesem Tag an ihre Verstorbenen, legen frische Blumen auf das Grab, sprechen vielleicht ein Gebet. Die Toten sind nicht vergessen. Bei den Menschen nicht und bei Gott sowieso nicht.
Geht das auch im Internet? Der Toten gedenken? Trauern?
Ich habe mir die Zeit genommen einmal über die Internet-Friedhöfe zu „schlendern“. Erwartet hatte ich allerlei geschmacklose, peinliche und fragwürdige Seiten. Und die gibt es auch. Da flattern neonfarbene Engelchen über den Bildschirm. Da kann man intime Dinge lesen, die keiner wissen will. Da besteht auch die Gefahr, dass verletzende Äußerungen über Tote und Lebende ins Netz gestellt werden. Ja, zum Teil geht es zu wie im Vorabendprogramm von RTL2 – Fremdschämen inklusive.
Und doch: Auf den Internet-Friedhöfen gibt es vor allem viel ehrliche Trauer und aufrichtige Anteilnahme.
Auch die Kirchen übrigens unterhalten Internet-Seiten für Menschen in Trauer. Dabei geht es allerdings nicht um virtuelle Grabpflege, sondern um Trost und Seelsorge.
Aufs Ganze gesehen fand ich es sensibel, wie auf den Internetfriedhöfen mit der Trauer von Menschen umgegangen wird.
Und doch bleiben Fragen. Ein Mann, nennen wir ihn Klaus, zündet seit über einem Jahr zum Teil mehrmals pro Woche eine Kerze für seine verstorbene Frau an. Immer wieder schreibt er, wie sehr er sie liebt und vermisst und wie sinnlos das Leben ohne sie ist.
So sehr mich diese große Liebe berührt, würde ich Klaus doch wünschen, dass er einen Weg aus seiner Trauer heraus findet. Und ich befürchte, alleine vor dem Bildschirm wird ihm das nicht gelingen.
Kann man getröstet werden, indem man ein virtuelles Grab pflegt? Ich befürchte nein. Der Toten gedenken, trauern – das geht auch im Internet; wie ich finde, durchaus angemessen und zeitgemäß.
Aber aus der Trauer herausfinden kann man im Internet, glaube ich, nicht. Um einen Weg aus der Trauer zu finden braucht es die persönliche Zuwendung von Menschen aus Fleisch und Blut. Es braucht jemanden, der einen bei der Hand nimmt und zurück ins Leben führt. Nicht zu schnell, ganz behutsam.