Gott hinter der Leinwand Goethe
Die Werke von Goethe haben seit fast dreihundert Jahren eine einzigartige Wirkung. Auch der Film „Goethe“ läuft seit Monaten im Kino und zieht die Zuschauer immer noch in seinen Bann. Natürlich haben biografische Filme so berühmter Menschen ein Problem. Man befragt sie nach Dichtung und Wahrheit und nach ihrem Bildungsauftrag. Diesen Anspruch will „Goethe“ so nicht erfüllen und bringt einem damit den großen Dichterfürsten als wirklichen Menschen nahe. Lebens- und liebeslustig, als einen Menschen mit Selbstzweifeln, der sich am Ende selbst findet. Und damit spricht der Film ein großes Lebensthema an.
Der junge Goethe mit oe – wie er sich immer vorstellt – fliegt beim Juraexamen durch. Der Vater ist stinksauer und verbannt ihn in die Provinz. An die literarischen Fähigkeiten seines Sohnes glaubt der Vater nicht, also muss Goethe für einen Gerichtsrat Kestner spröde Gerichtsakten wälzen und Verhandlungen vorbereiten. Damit beschäftigt er sich so ungefähr mit dem totalen Gegenteil dessen, was einem künstlerisch begabten Menschen vorschwebt. Aber so werden Menschen ja oft in Rollen hineingezwungen, weil Eltern ihre Begabungen nicht erkennen. Nur glücklich macht das keinen, wenn man nicht tun kann, was in einem angelegt ist. Zum Ausgleich dafür lenkt sich Goethe ab. Ausgiebig. Mit Wein, Weib und Gesang. Er lässt keinen Anlass aus zu feiern. Dabei lernt er Lotte kennen. Die ist hübsch, aber aus armen Verhältnissen. Goethe verliebt sich in sie. Leider hat ihr Vater andere Pläne: Er hat seine Tochter ausgerechnet dem Gerichtsrat Kestner versprochen. Denn durch diese Heirat wäre seine gesamte Familie mit den zehn Kindern finanziell gerettet. Goethe weiß davon nichts und Lotte ist hin und her gerissen zwischen der Liebe zu Goethe und der Verantwortung für ihre Familie.
Am Schluss entscheidet sie sich für die Verantwortung. Aber sie verändert das Leben von Goethe. Was ihm vom Vater an Anerkennung für seine Dichtkunst verweigert wurde, das gibt sie ihm. Als er ihr ein Gedicht vorträgt, sagt sie: „Lächerlich – das ihr an eurer Begabung zweifelt.“ Dann schreibt sie ihm einen Brief, dass er nicht mehr kommen soll. Den erhält er aber nicht und so platzt er mitten in die Verlobungsfeier hinein. Der Gerichtsrat Kestner merkt, dass Goethe ihm zur Gefahr wird und legt ihn mit einem vorgetäuschten Duell herein. Weil das unter Strafe steht, kommt Goethe ins Gefängnis. Er ist total verzweifelt. Aber dann setzt er sich hin und schreibt in seiner Gefängniszelle „Die Leiden des jungen Werther“. Das Manuskript schickt er Lotte. Die setzt durch, dass sie ihn besuchen kann. Liebevoll sagt sie ihm, dass es nicht Goethes Leben sei, ihre Familie durch eine Karriere bei Gericht zu ernähren. Das sei das Leben des Gerichtsrates. Sein Leben sei die Kunst. So gibt sie ihm seine Würde zurück.
Als Goethe aus dem Gefängnis entlassen und von seinem Vater wieder nach Frankfurt geholt wird, ist dort vor einem Buchladen die Straße voller Menschen. Alle wollen „Die Leiden des jungen Werther“ kaufen. Lotte hat sie ohne Wissen von Goethe herausgeben lassen. Das Buch wird europaweit gelesen. Als Goethe von den Menschen auf der Straße erkannt wird, feiern sie ihn. Und sein Vater sagt wie verwandelt voller Stolz: „Das ist mein Sohn.“
Natürlich war Goethe ein Ausnahmetalent. Aber Begabungen sind in jedem Menschen von Gott angelegt. Manchmal muss man einander helfen, sie wahrzunehmen. Das eigene Leben mit den eigenen Begabungen in Deckung zu bringen, das macht das Leben reich.