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Spriestersbach, Bernd

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Fulda

Der Andere Advent

Der Andere Advent

„Lieber Gott, bis jetzt geht’s mir gut. Ich habe noch nicht getratscht, die Beherrschung verloren, war noch nicht muffelig, gehässig, egoistisch oder zügellos. Ich habe noch nicht gejammert, geklagt, geflucht oder Schokolade gegessen. Die Kreditkarte habe ich noch nicht belastet. Aber in einer Minute werde ich aus dem Bett klettern und dann brauche ich wirklich deine Hilfe….“

‚Der Andere Advent‘ heißt der Kalender, in dem ich dieses ‚Gebet‘ gefunden habe. Geschmunzelt habe ich über den unerwarteten Schluss: „Aber in etwa einer Minute werde ich aus dem Bett klettern, und dann brauche ich wirklich deine Hilfe…..“ Das ist es. Einen Gott für meine Unzulänglichkeiten, für meine Sorgen. Einen für mein Leben, so wie es ist. Das ist der adventliche Gott. ‚Advent‘ bedeutet: Er kommt. Gott kommt. Kommt herunter. Wird einer von uns. Im Kind in der Krippe. Gott kommt so menschlich, dass ich ihn an meiner Seite wissen darf. Dass er mitten mit ‚drinsteckt‘ in meinem Leben. Mich stärkt. Mich leitet. Mir hilft. ….

„Aber in einer Minute werde ich aus dem Bett klettern und dann brauche ich wirklich deine Hilfe….“ Der so gar nicht adventliche Text hat bei mir adventliche Gedanken hervorgerufen. Mir einen ungewohnten Zugang zum Advent eröffnet. Das will der ‚Andere Advent-Kalender‘. Mit Anregungen zum Schmunzeln und Nachdenken neue Einblicke eröffnen. Die alte Botschaft vom Kommen Gottes anders, neu zu hören. Das finde ich gut. Deshalb habe ich ihn in meiner Schule auch an den beiden Infowänden der Schulseelsorge aufgehängt.

Der ‚Andere Advent-Kalender‘ ist einer von vielen adventlichen Begleitern, die wir an unserer beruflichen Schule haben: Den Eingangsbereich ziert ein großer Adventskranz. Im Obergeschoß leuchtet der Herrnhuter Stern. Einmal in der Woche musizieren Lehrer für die Schüler. Mit Zugposaune, Flöte, Klavier und Cello ertönen weihnachtliche Weisen. Adventsandachten biete ich an. Und eine Nikolaus-Aktion. All das gibt’s alle Jahre wieder. Die Schüler mögen die adventliche Stimmung und die Bräuche. Über ihren Sinn und Inhalt wird oft nicht nachgedacht.

Dazu will der ‚Andere-Advent–Kalender‘ verhelfen. Wider die AdventsGewohnheit sind die täglichen Texte. Mit ihren überraschenden Gedanken. „Aber in einer Minute werde ich aus dem Bett klettern und dann brauche ich wirklich deine Hilfe….“ Über aller Witzigkeit des Gebetes empfinde ich die Ernsthaftigkeit der Bitte: „….dann brauche ich wirklich deine Hilfe.“ Gott kommt. Und hilft. Vielleicht anders als gedacht. Aber er kommt. Advent ist ein Versprechen.