hr1 ZUSPRUCH
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Schäfer, Christoph

Ein Sendung von

Katholischer Religionslehrer, Rüsselsheim

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Freundschaftsproben

Vor kurzem hab ich ein Zitat entdeckt, bei dem ich gemerkt hab: Es regt perfekt dazu an, mal genauer über „Freundschaft“ nachzudenken. Der Textauszug ist ganz knapp, „auf den Punkt“ formuliert. Obwohl er von Theodor Fontane ist. Diesen Autor aus dem 19. Jahrhundert verbinde ich ja eher mit kunstvoller Weitschweifigkeit. Hier zeigt er: Er kann auch anders. Nach einer Schottland-Tour zieht er klipp und klar Bilanz. Und schreibt seinem Reisegefährten Bernhard von Lepel: „Eine Reise an der Seite eines Freundes ist eine Freundschaftsprobe. Wir haben sie bestanden.“  

Freundschaft bedeutet Vertrauen

Ich hab gedacht: Das ist ein wirklich schönes Kompliment. Aber ich bin über das Wort „Freundschaftsprobe“ gestolpert. Das klingt erst mal gar nicht nach dem, was ich mit Freundschaft verbinde: Bei ihr sollte es doch nicht um Proben und Prüfungen gehen.

Auf Prüfungen bereite ich mich strategisch vor. Und zeige dann eine „Schau-Seite“, um zu bestehen. In einer Freundschaft sollte es eigentlich um etwas anders gehen: um Vertrauen. Und um das Gefühl, dass man so sein kann, wie man ist.

Es gibt sie diese "Freundschaftsproben"

Aber dann hab ich gemerkt: Auch wenn ich den Begriff „Freundschaftsprobe“ erst mal irritierend gefunden hab – ich hab schon oft solche Proben erlebt. Zum Beispiel Momente, an denen es darum ging, Farbe zu bekennen. Zur Freundschaft zu stehen. Zum Beispiel mitten in der Nacht zu helfen. Oder sich solidarisch zu zeigen, weil der Freund unfair behandelt wird.

Aber auch eine Krise kann eine Freundschaftsprobe sein. Ein Konflikt, der dann gelöst wird. Mit einem guten Freund hab ich mich zum Beispiel vor vielen Jahren beim Streichen einer Studentenwohnung heftig gestritten. Es ging um die passende Farbe. Irgendwann hat einer von uns einen völlig absurden Spruch zum Besten gegeben. Und wir haben gleichzeitig zu lachen angefangen. Die Anspannung war weg. Das Gemeinschaftsgefühl wieder da.

"Freundschaftsproben" sind berechtigt

Ich denk daher: Ohne solche Proben wären manche Freundschaften nicht so eng, wie sie es jetzt sind. Sie haben also auch ihre Berechtigung. Ich bin froh, dass mir das durch den Fontane-Text bewusster geworden ist. Denn ich denk: Das hilft mir vielleicht, bei der nächsten Freundschaftsprobe souveräner zu sein. Und so die Freundschaft nicht nur zu bewahren. Sondern auch zu vertiefen.