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Weißenberger, Clemens

Ein Sendung von

Katholischer Pastoralreferent, Frankfurt

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„Nie wieder“ ist jetzt!

Oft war ich mit Gruppen und Klassen in der jüdischen Gemeinde Ostend in Frankfurt. Wir waren herzlich willkommen, konnten die Synagoge kennenlernen und Menschen jüdischen Glaubens. Schon damals kamen mir die Sicherheitsvorkehrungen und die Polizeibewachung befremdlich vor. Muss ein Ort des Gebets so bewacht sein? Leider haben antisemitische Hetze und Angriffe gegen jüdische Menschen und Einrichtungen eine fatale Tradition bei uns. 

Israelische Flaggen werden verbrannt

Umso mehr entsetzt mich jetzt die Gewalteskalation gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland: Israelische Flaggen werden verbrannt, wie letzte Woche in Mainz, auf die Synagoge in Berlin gab es am Mittwoch einen Brandanschlag, bei der Buchmesse in Frankfurt kam es ebenfalls am Mittwoch zum Eklat, pro-israelische Demonstranten werden angegriffen. 

Eindeutig Position beziehen

Ich finde es unsäglich, wenn Menschen auf Grund ihres Glaubens Hass und Gewalt erfahren. Unerträglich ist für mich, dass Menschen angegriffen werden, weil sie zu einer Religionsgemeinschaft gehören. Hier gilt es, eindeutig Position zu beziehen. Wie beim interreligiösen Friedensgebet vergangenen Samstag im Frankfurter Dom, das stattfand unter dem Motto: „Möge kein Volk gegen ein anderes das Schwert erheben.“ 

"Das finde ich stark"

Klare Position bezog diese Woche auch Außenministerin Annalena Baerbock. Eindringlich appelliert sie: „Nie wieder ist jetzt!“ Und der Mainzer Bischof Kohlgraf sagt: „Antisemitische Hetze, Anfeindungen und Gewalt dürfen in unserem Land keinen Raum haben, und wir werden das uns Mögliche tun, um dagegen anzugehen.“ Das finde ich stark. 

Wie kann ich da selbst vorgehen?

Es braucht aber nicht nur Worte, sondern auch ein Handeln. Was kann dieses „Nie wieder ist jetzt“ für Christinnen und Christen bedeuten? Für mich heißt das ganz klar: Ich kann nicht nur auf die Politik schauen und warten, bis Politikerinnen in Berlin oder Wiesbaden reagieren; hier ist Zivilcourage von jedem und jeder gefordert. Wie kann ich selbst vorgehen gegen Antisemitismus, wie Solidarität zeigen? 

"Nicht Gewalt mit Gewalt beantworten"

Nicht hinnehmbar ist, wenn Gewalt mit Gewalt beantwortet wird, wenn jüdische Menschen in unserem Land um ihre Sicherheit fürchten müssen. Vielleicht hilft es, Anteil zu nehmen, indem ich auf die Straße gehe, am Gebet in den Synagogen teilnehme, Solidarität vor Synagogen zeige.

Ich bete trotzdem

Eines weiß ich: Ich will mich dem Hass und der Gewalt entgegenstellen, in meiner Nachbarschaft, auf meiner Arbeit, dort, wo ich antisemitische Äußerungen höre oder solche Aktionen sehe.

Und auch wenn ich unsicher bin, ob Beten ausreicht: Ich bete trotzdem um friedliche Wege – auch wenn die gerade so weit entfernt scheinen.