hr1 ZUSPRUCH
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Arnold-Rammé, Pia

Eine Sendung von

katholische Pastoralreferentin im Ruhestand, Frankfurt

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Lob der Langsamkeit

Das Pilgern ist wieder angesagt – nachdem Corona den Trend ins Stocken gebracht hatte. Gerade jetzt am Anfang des Sommers, wenn es noch nicht so heiß ist, machen sich viele auf den Weg. Am beliebtesten ist nach wie vor der Jakobsweg nach Santiago de Compostella. Doch was macht den Reiz des Pilgerns aus? Warum nehmen Menschen Strapazen und Anstrengungen für einen Pilgerweg auf sich? Und das, obwohl sie zu den ursprünglich religiösen Hintergründen des Pilgerns gar keinen direkten Zugang haben?

Etwas Langsames tun

Paul Coelho hat ein Buch über seine Erfahrungen auf dem Jakobsweg geschrieben; es heißt deshalb auch „Auf dem Jakobsweg“. Dort schreibt er: „Es ist gut, etwas Langsames zu tun, wenn man eine Entscheidung treffen muss.“ Etwas Langsames tun - ich denke, das trifft ziemlich gut die Erfahrungen des Pilgerns. Man kommt eben zu Fuß und durch unwegsames Gelände nur in kleinen Schritten voran. Das kennen wir gar nicht mehr. Per Auto oder Flugzeug ist man heute in kürzester Zeit an allen Orten der Welt.

Hektische Welt

Und nicht nur bei der Fortbewegung, auch ansonsten ist unsere Welt eher hektisch und schnell. Beschleunigung ist ein Begriff der Zeit. Doch offensichtlich, so die Erfahrungen von Paul Coelho und vielen anderen, tut die Langsamkeit sehr gut. Vor allem dann, wenn man eine Entscheidung treffen soll. Das langsame Unterwegs-Sein beim Pilgern beflügelt die Gedanken. Man kommt zu sich selbst, gewinnt Abstand vom oft hektischen Leben im Alltag und kann Dinge neu und anders bewerten. Das kann helfen, sicherlich nicht nur beim Entscheiden.

Langsamkeit beim Pilgern

Viele erleben das beim Pilgern. Und es ist sicherlich ein Grund, warum das Pilgern so beliebt ist. Doch die Sehnsucht nach Entschleunigung, nach Ruhe und Langsamkeit – die ist doch auch im Alltag wichtig. Natürlich fällt mir das dort viel schwerer: Stress im Beruf, die Herausforderungen durch Familie und Freunde, Freizeitaktivitäten - oft ist mein Tag ziemlich vollgepackt. Ich will es trotzdem versuchen: zwei Minute nach dem Essen einfach mal ruhig am Tisch sitzen bleiben. Abends vor dem Schlafengehen den Tag Revue passieren lassen. Diese kleinen Rituale können mir helfen. Dann erlebe ich nicht nur beim Pilgern, sondern auch zuhause wohltuende Entschleunigung.