Ein besonderer Foto-Moment
In einem Köfferchen hab ich noch einen alten Fotoapparat. Klein kommt er mir vor, wenn ich ihn nach so vielen Jahren nochmal in die Hand nehme. Die Gummiteile am Objektiv sind grau geworden und etwas spröde, aber ich denke, benutzen könnte man den Fotoapparat noch. An der großen Klappe an der Rückwand gibt es ein kleines Steckfach. In das hab ich immer die Pappkärtchen von der Filmverpackung gesteckt. So konnte ich sehen, welchen Film ich eingelegt hatte.
Der alte Fotoapparat
36, vielleicht 37Mal konnte man den Film mit dem rechten Daumen weitertransportieren und gleichzeitig sehen, wie sich gegenüber der runde Knopf mit der kleinen Kurbel darin bewegt, wenn der Film transportiert wird.
Dunkelkammer oder Filmentwicklung nach Wochen
Schwarz-weiß-Filme hab‘ ich in der Dunkelkammer entwickelt und belichtet: Das Fotopapier ins Entwicklerbad gelegt, dann ins Stoppbad und ins Fixierbad, die Papierblätter zum Trocknen aufgehängt. Farb- oder Dia-Filme hab‘ ich mit der Post zu Entwickeln geschickt. Eine Woche später konnte ich dann sehen, ob die Fotos "was geworden waren". Analoge Fotografie ist langsam.
Digital gehen viele Fotos pro Sekunde
Moderne Digitalkameras schaffen locker 20 Bilder pro Sekunde. Ihre Speicherkarten bieten Platz für tausende Fotos. Die digitale Bildbearbeitung kann beinahe alles verändern. Auf einem gestochen scharfen Farbdisplay sehe ich sofort, was ich fotografiert habe.
Auch die Jugend mag wieder analoge Fotografie
Doch analoge Fotografie ist wieder gefragt: Immer mehr junge Leute entdecken die Ruhe, die in der Kraft analoger Fotografie liegt, diesen anderen Umgang mit der Zeit. Die Hersteller können gar nicht so viele Farb- und Schwarzweißfilme herstellen, wie sie jetzt verkaufen könnte. So viele wollen entschleunigt fotografieren.
In Ruhe Schönheit betrachten
Auch ich finde: Es lohnt sich, die Fotografie zu verlangsamen, sich viel Zeit und Ruhe für eine besonderes Foto zu nehmen.
Dazu muss ich nicht zwingend zurück in die Dunkelkammer. Ich kann mir Zeit nehmen, in Ruhe Schönheit zu sehen. Auch ein digitales Foto am Bildschirm zu entwickeln, herauszuholen, was in ihm steckt, dauert seine Zeit. Vielleicht hat der Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder recht. Er sagt: Die analoge Fotografie holt die Perspektive der Ewigkeit zurück.
Zum Foto: Der US-amerikanische Fotograf Steve McCurry (geb. 1950) steht am 12.02.2009 im Schleswiger Stadtmuseum neben seinem Bild eines afghanischen Flüchtlingsmädchens.
Quelle: Kreis Anzeiger 23. August 2023 S. 24