hr1 ZUSPRUCH
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Vorländer, Martin

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Fernbeziehung

TGIF. Thanks God, it’s Friday! Der Herr sei gepriesen – es ist Freitag! Raus aus der Arbeit, rein in überfüllte Züge oder rauf auf die Autobahn. Die halbe Republik scheint ins Wochenende unterwegs zu sein. Über Fernbeziehungen gibt es keine Statistik, nur Schätzungen. Demnach soll jedes achte Paar in Deutschland seine Liebe auf Distanz. Als Fernbeziehungsmensch ist man also nicht allein. Wie tröstlich!

Ich war fünf Jahre lang Wochenend-Pendler. Alles aus Liebe. Dass es viele anderer meiner Sorte gibt, dafür brauchte ich keine Schätzung und keine Statistik. Das sah ich, wenn ich mich in den Stau auf der Autobahn einreihte. Oder ich habe es hautnah gespürt im Abteil des ICE, in dem man unfreiwillig mit seinen Mitreisenden auf Tuchfühlung geht.

Am Ende einer langen Arbeitswoche ist das Unterwegssein am Freitag oft nervenaufreibend. Ständig aus dem Koffer leben, planen müssen, was man fürs Wochenende und dann für den nächsten Montag braucht. Die eigene Seele scheint zerpuzzelt irgendwo zwischen den beiden Orten auf der Strecke zu bleiben. Immer wieder ertappt man sich bei der Frage: Wo bin ich eigentlich?

Vielleicht lässt sich das Unterwegssein als eine kleine spirituelle Übung begreifen und dadurch erleichtern: Ich bin äußerlich in Bewegung. Das halt mich auch mental auf Trab. Ich muss mich auf verschiedene Orte, Situationen und Menschen einstellen. Dadurch ziehe ich auch innerlich neue und weitere Kreise.

Mit den Kilometern, die ich zurücklege, kann ich die Gedanken wandern lassen und auf der Reise auch bei mir selber ankommen. Wochenend-Pendeln sozusagen als eine kleine Pilgerreise am Freitagabend. Abstand gewinnen, das Weite suchen und mich aufs Ziel freuen. In diesem Sinn: TGIF! Der Herr sei gepriesen – es ist Freitag!