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Kristen, Dr. Peter

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Zur Besinnung kommen nach der Wahl

Zur Besinnung kommen nach der Wahl

Da sind einige Plätze frei geworden in der ersten Reihe der Politik. Die Wahlergebnisse haben dafür gesorgt, dass das Leben vieler Politikerinnen und Politiker anders weitergehen wird, als sie es sich erhofft haben, quer durch die Parteien. Die ganze FDP-Fraktion räumt ihre Berliner Büros. Einige Grüne machen ihre Plätze in der ersten Reihe für andere frei. Was machen die Menschen jetzt eigentlich, wenn ihr Leben nicht so weitergeht, wie sie es sich vorgestellt haben?

Eine Frage nicht nur in der Politik, sondern auch im persönlichen Leben. Was mache ich, wenn es anders weitergehen muss? Viktor Frankl, ein weltbekannter Psychiater, hat einmal gesagt: „Je weniger ein Mensch um ein Ziel in seinem Leben weiß, desto mehr beschleunigt er auf seinem Lebensweg das Tempo.“ Mein Vorschlag deshalb: Erst mal nicht weiter rennen. Sondern: Wüstentage einlegen.

In der Wüste, jenseits des Alltags, ist mein ursprünglicher Plan weit weg. Die Weite und die Leere helfen, mich zu besinnen und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Mit der Zeit kann ich lernen, über mich selbst hinauszusehen und so vielleicht einen neuen, ganz persönlichen Sinn zu entdecken für meine Zeit danach. Das Volk Israel hat 40 Wüstenjahre eingelegt. Und auch Jesus hat sich hin und wieder in die Wüste zurückgezogen, um zu beten und Gott besonders nahe zu sein. Also: runter mit dem Tempo, Zeit für Wüstentage.

Was man da erfahren kann, hat Victor Frankl beschrieben als drei Wege zum Sinn: Der erste: „Hinnehmen, was nicht zu ändern ist.“ Das tut weh, aber manchmal muss ich mich wirklich verabschieden von Plänen und Dingen und sogar von Menschen. Der zweite Weg: „Sich einer Aufgabe widmen mit Freude und Kreativität“. So hat es ein Mediziningenieur aus unserer Nachbarschaft gemacht. Er war immer sehr eingespannt in seinem Beruf, bis seine Firma dichtgemacht hat. Inzwischen macht er vieles mit seinen eigenen Händen: In seinem Garten hat er mit viel Sachverstand einen Pizzaofen gebaut. Neulich waren wir zu einer Pizza eingeladen.

Und schließlich der dritte Weg: „Erleben statt konsumieren“. Mal einen Moment die Augen schließen und die Schöpfung oder einen anderen Menschen bewusst erleben. Das ist oft der Anfang dazu, alle meine Tage als Geschenk zu begreifen. Für die drei Wege brauch ich Raum und Zeit. Wenn’s nicht so weitergehen kann, wie geplant, dann tun Wüstentage gut.