Worte sind auch Taten
Worte sind auch Taten, einmal ausgesprochen entfalten sie ihre Wirkung - unaufhaltsam. Das hat auch Anton erlebt, ein Fünftklässler. Ich nenne ihn mal so. Auf seinem Handy schreibt er gerne mit seinen Freunden kurze Nachrichten hin und her, per SMS und WhatsApp. Von seinen Freunden hatte er auch die Handynummer von drei Mädchen aus seiner Parallelklasse bekommen. Seine Nummer kannten die Mädchen nicht, darum konnte er ihnen schreiben, ohne dass sie herausfinden konnten, woher die Nachricht kam.
„Hey“, tippt Anton in sein Handy, „ich weiß jetzt wo du wohnst. Und wenn ich dich mal allein treffe, bringe ich dich um.“ Als Schulseelsorger habe ich mit Anton darüber gesprochen. „Er hat sich nichts dabei gedacht“, sagt der Elfjährige, „so schreibt er halt mit seinen Freunden, schon seit der Grundschule“. Aber seine Worte entfalten ihre Wirkung, unaufhaltsam.
Unaufhaltsam, so heißt auch ein Gedicht von Hilde Domin. Manches Wort würde man gerne zurückholen, schreibt sie, aber das schwarze Wort ist schneller. Es kommt immer an, es trifft immer ins Herz. Antons Worte sind schwarze Worte, sie kommen an: Die Mädchen zeigen sie ihren Eltern. Die machen sich Sorgen, zu Recht. Und weil Wochenende ist, weil man ja nicht in der Schule nachforschen kann, weil man ja nicht weiß, wer diese Drohung ausgesprochen hat, weil sie Angst bekommen, informieren sie die Polizei.
Die findet schnell heraus, dass die Drohung von Antons Handy losgeschickt wurde. Zum Glück nur ein kleiner Junge, der sich zu wenig dabei gedacht hat. Anton war sehr erschrocken, als er verstanden hat, was er da angerichtet hatte. Seinen Eltern hat er es beschämt gebeichtet. In der Schule hab ich ein Treffen mit Anton und den Mädchen vermittelt. Als sie eine Weile darüber geredet hatten wie all das gekommen ist, bittet Anton die Mädchen um Entschuldigung, und die nehmen an.
Seinen schwarzen Worten schickt Anton andere Worte hinterher, „Worte mit bunten weichen Federn“, so nennt sie HiIde Domin. Die können das schwarze Wort nicht einholen, nicht ungeschehen machen, was sie angerichtet haben, aber diese Worte sind auch Taten: „Ich bitte um Entschuldigung“ sagt Anton und „ok, dann ist es gut“, sagen die Mädchen.
Ganz schnell haben Worte ungeahnte Folgen. Dann sind sie auch Taten. Es ist gut, sorgsam mit ihnen umzugehen.