Wiege der Zivilisation - bloß weg hier!
Ich fand das T-Shirt cool, das ich vor ein paar Jahren von einer Reise aus Syrien mitgebracht habe. Darauf steht „Syrien – die Wiege der Zivilisation.“ Denn ich fand es wirklich zivilisiert und toll, wie mir viele Menschen dort begegnet sind, offen und unheimlich gastfreundlich. Wenn ich irgendwo in Damaskus verloren stand, kam gleich ein hilfreicher Mensch und zeigte mir, wo’s lang geht. Oder ich schaute auf ein Denkmal: Sofort erklärte mir ungefragt ein Junge, wer da auf dem Sockel steht und warum. Oder beim Besuch in einem Musikladen: Fünfundzwanzig begeisterte Syrer erläuterten mir die einheimische Musikszene und was ich am besten kaufen könne.
Keiner hat danach die Hand aufgehalten. Ich hatte das Gefühl, ein wertgeschätzter Gast zu sein. Wenn ich an Syrien denke, dann an diese gastfreundlichen Menschen. Aber da war auch immer ein zweites Gefühl, ein dunkles. Gespräche über Politik oder die Staatsführung ebbten sofort ab. Betretenes Schweigen. Manchmal schauten meine Gesprächspartner dann kurz zu einem der vielen Riesenplakate von Assad hoch. Oder sie drehten sich ängstlich um, ob nicht jemand zuhörte, von dem sie später Böses erwarteten. „Vergesst uns nicht“, hat mal jemand geflüstert. Es schien, als ob alle Probleme der Gegenwart tabu wären. Leichter war es mit der Vergangenheit.
Die ist beeindruckend und weit über viertausend Jahre alt. So, wie es auf dem T-Shirts gedruckt war, das ich mitgebracht habe: „Syrien - Wiege der Zivilisation“. Denn in Syrien entstand so viel, was Menschen vorn gebracht hat. Ganz früh gab es dort das Alphabet und Bildung. Im Römischen Reich war Syrien zusammen mit Ägypten die reichste Provinz. Lange lebten verschiedene Kulturen und Religionen friedlich zusammen. Auch christlichen Gemeinden gab es ganz früh. Der Apostel Paulus wurde in Damaskus zum Christen.
Jetzt ist seit Jahren Bürgerkrieg. So viel Leid und Entsetzen, Tausende tot! Wer irgendwie noch kann, rettet sein Leben über die Türkei und Jordanien ins Ausland. Auch nach Deutschland. In Berlin-Hellersdorf schlug den Flüchtlingen aus Syrien in den letzten Wochen der blanke Hass entgegen.
Hellersdorf ist zum Glück nicht überall. Denn Wegschauen gilt nicht. Gerade wenn man eine Lösung durch das Militär ablehnt. Und gleichzeitig merkt, wie weit man entfernt ist von diplomatischer Konfiktlösung und einem politisches Konzept für die Zeit danach. Es gibt bei aller Ohnmacht etwas zu tun. Es liegt an uns, Flüchtlinge aus Syrien gastfreundlich aufzunehmen. Sich militärisch rauszuhalten ist vielleicht das ethische Gebot der Stunde. Das Andere ist: denen zu helfen, die es geschafft haben, vor Giftgas und Granaten zu fliehen. Ich wäre stolz, wenn es man auf ein T-Shirt drucken kann: „Deutschland – Zivilisation der Gastfreundschaft und Solidarität“.