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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer im Ruhestand, Biebertal

Wem kann man eigentlich noch glauben?

Wem kann man eigentlich noch glauben?

Die Bewertung der Trainer und Beobachter reicht von »enttäuschend« bis »niederschmetternd«. Manche sprechen sogar von einem äußerst peinlichen Auftritt der deutschen Schwimm-Mannschaft. Die Frage ist: Woran liegt’s? Waren die Träger deutscher Medaillen-Hoffnungen einfach zu trainingsfaul? Oder gehören sie zu den wenigen, die zu ehrlich und zu gewissenhaft sind, um mit den geeigneten Mittelchen ihre Leistungen so zu steigern, dass es auf das Siegertreppchen langt?

Ich als interessierter Zuschauer bin verwirrt: Was soll man den Athletinnen und Athleten, egal in welcher Sportart, eigentlich noch glauben? Der Radfahrer Erik Zabel zum Beispiel wirkte sehr überzeugend, als er vor zwei Jahren unter Tränen bekannte »Ich habe einmal im Leben gedopt. Und jetzt habe ich Probleme, meinem Sohn in die Augen zu schauen.« Inzwischen hat sich gezeigt, dass das weniger als die halbe Wahrheit war. Sein Doping zog sich wie bei vielen anderen über Jahre hin.

Und: Kann man dem Tour de France Sieger dieses Jahres, Chris Froome, noch glauben, wenn er entrüstet die Pressekonferenz verlässt, weil die Reporter am Tage seines größten Sieges eigentlich nichts anders fragen als: »Sind sie gedopt?« Ist er sauber, muss er einem Leid tun, weil sein Sieg nicht gewürdigt wird. Ist er’s nicht, haben wir eine neue Version des Schmierentheaters, wie wir es seit Jahren erleben. Kann man im Sport überhaupt noch jemandem glauben? Solange immer nur am Netz der Lügen und Halbwahrheiten herumgeflickt wird, wahrscheinlich keinem. Am Ende noch nicht einmal denen, die sauber geblieben sind.

Ich bin mir sicher: Das gilt nicht nur für sportliche Disziplinen, für Schwimmen und Radfahren und für die Leichtathletik-WM in der kommenden Woche. Das gilt auch für die Politik und für unser ganz persönliches Leben: Wer nur die entstandenen kleinen Löcher im Lügennetz  stopfen will, wer sich von einem Teilgeständnis zum nächsten rettet und sich von Ausrede zu Ausrede hangelt, wird in diesem Netz gefangen bleiben. Und andere mit hineinziehen. Die Wahrheit hat nur eine Chance, wenn sich Menschen trauen, solche Netze zu zerreißen.