Vertrauen und Freiheit sind für eine Gesellschaft wichtiger als Misstrauen und Verdacht
„Die Herrschenden müssen bewacht werden, nicht die Beherrschten“. Dieser Satz des Schweitzer Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt passt als bissige Überschrift ganz gut zu dem, was wir gerade in Sachen Geheimdienste erfahren und lernen müssen. Die offensichtlich gigantische Daten-Sammelwut von NSA und anderen Diensten scheint von niemandem bewacht oder gar eingeschränkt zu werden. Müssen also „die Herrschenden bewacht werden“?
Dass nun mitten in Hessen, in Wiesbaden-Erbenheim, ein neues Abhörzentrum der NSA gebaut wird, zeigt eigentlich nur, wie eng wir mit diesem Thema verbunden sind. Wir werden aus nächster Nähe kontrolliert werden. Bei allem Respekt vor der notwendigen Arbeit der Geheimdienste, was sich hier offenbart, geht zu weit und gefährdet mehr, als dass es nützt. Jimmy Carter, der 39. Präsident der USA spricht von einer "nie zuvor dagewesenen Verletzung unserer Privatsphäre durch die Regierung". Unsere private Welt, unsere Kontakte, Gespräche und Interessen – alles das ist diesen Diensten offensichtlich zugänglich – und denen, die sich ihrer Datenmengen bedienen.
Na ja, sagst du, so wehrt man Terroristen ab! Und ich habe ja nichts zu verbergen, bin kein Terrorist, kein Anarchist, kein Kinderschänder und kein Steuersünder. Ich habe doch nichts zu verbergen und die Emails mit meinen Bekannten dürften einigermaßen uninteressant für die Fahnder sein. Wahrscheinlich ist das bei den meisten so. Aber eine Sache bleibt unversehens auf der Strecke: wer einer so feinmaschigen Überwachung ausgesetzt ist, bei dem wächst das Gefühl, dass Misstrauen und Verdacht normaler sind als Vertrauen und Freiheit. Und dieses Gefühl ist verheerend.
Denn gerade Freiheit und Vertrauen sind es, die die Grundlagen für eine menschenwürdige Gesellschaft darstellen. Es ist gut, wenn jetzt neu und gründlich darüber nachgedacht wird, wie die richtige Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle aussehen kann. Die Balance zwischen dem Interesse an Sicherheit und der unverzichtbaren Freiheit in einer Gesellschaft.
Kontrolle – denke ich – Kontrolle ist ja gar nicht so schlecht. Fragt sich nur, wer wen kontrolliert. Jetzt sind es die Geheimdienste, die Bürgerinnen und Bürger ausspähen. Aber eigentlich, so merken wir gerade, fehlt es an der Kontrolle über das, was die Geheimdienste tun. Wie hieß das bei Dürrenmatt: „Die Herrschenden müssen bewacht werden, nicht die Beherrschten“.