Versetzt der Glaube Berge?
Die einen sagen: Der Glaube versetzt Berge. Andere, eher skeptische Menschen, bezweifeln das und halten den Glauben für unwirksam und deshalb für verzichtbar. Also ist an diesem Satz etwas dran oder nicht? Mehr denn je machen sich Psychologen und Neurologen und Biologen daran, diesen Satz auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Der Religionspsychologe Sebastian Murken zum Beispiel hat Patientinnen einer onkologischen Klinik befragt und beobachtet und ist dabei zu einem interessanten Ergebnis gekommen: Glaubten die Frauen an einen strafenden Gott, einen Gott, der alles sieht und alles kontrolliert, stocherten sie in ihrer eigenen Lebensgeschichte herum, immer auf der Suche nach ihren Fehlern, die nun zur schweren Krankheit geführt hatten. Dann waren Ängste und Depressionen die Folge.
Andere Frauen sahen in Gott eher eine Instanz, die den Menschen zugewandt ist, sie segnend begleitet und sie auf ihren Wegen beschützt. Diesen Gott empfanden sie als sehr nah in ihrer Krankheit. Auch wenn sie zwischendurch zweifelten, ob alles gut wird und ob Gott ihnen auch wirklich in schweren Zeiten zur Seite steht, war es doch immer wieder so: Der Glaube an ihn unterstützte sie und gab ihnen Kraft und Lebensmut.
Versetzt also der Glaube Berge? Ist er eine Kraft, die uns vor Schlimmem bewahrt und uns auch schwere Krisen überwinden hilft? Welche Untersuchung man auch zu Rate zieht, die Antwort auf diese Frage ist nicht eindeutig. Es ist jedenfalls nicht so, dass Menschen ihren Glauben einnehmen wie eine Arznei oder ein Zaubertrank. Ein Zaubertrank, der gesund macht oder gesund erhält. Das würde dann bedeuten: Wer krank ist oder vom Leben gezeichnet, hat eben nicht stark genug geglaubt oder nicht häufig genug gebetet.
Nein, das wäre zu einfach. Wer glaubt, kommt nicht leichter durchs Leben. Aber wer glaubt, muss nicht alleine durchs Leben kommen. Da gibt es jemand, der mich hört und sieht, dem ich danken, den ich anklagen, zu dem ich schreien kann. Und da gibt es jemand, der meinen Blick auch einmal weg lenkt von mir selbst und mich in die Verantwortung stellt für andere Menschen und für die Welt, in der wir leben. Das macht sie Sache nicht unbedingt leichter. Wenn wir uns dieser Verantwortung stellen, versetzt der Glaube nicht immer Berge. In unseren Augen sind es manchmal nur kleine Maulwurfshaufen. Immerhin.