St. Martin öffnet Kirchentüren für Flüchtlinge
Das Martinsfeuer prasselt in der Mitte, gut bewacht von der Feuerwehr. Drumherum Kindergartenkinder mit ihren selbstgebastelten Laternen, Eltern, Großeltern. Jemand erzählt die alte Geschichte von Martin von Tours aus dem vierten Jahrhundert.
Die französische Stadt Amiens: Martin, ein christlicher Reitersoldat, zerteilt in einer Winternacht seinen Militärmantel mit dem Schwert. Gibt dieses große Tuch einem armen frierenden Menschen. Übermorgen am St. Martinstag wird diese Geschichte vom Teilen wieder erzählt. Danach steht man noch eine Weile ums Feuer. Die Kinder mit ihren Laternen fest in der Hand. Die Erwachsenen greifen zu Brezeln und dem ersten Glühwein.
In diesem Jahr hat die Geschichte Folgen. Da haben zweiundzwanzig afrikanische Flüchtlinge mitten in Frankfurt unter der Untermainbrücke campiert. Zweiundzwanzig Lampedusa-Flüchtlinge. Sie sind mit einem kleinen Boot übers Mittelmeer gekommen und haben überlebt. Nicht so wie die dreihundert, die gerade kurz vor Europa ertrunken sind. Als jetzt fünf Frankfurter Kirchengemeinden gemeinsam Gottesdienst feiern, spricht sich herum: Da sind Menschen, die brauchen Hilfe. Wir müssen was tun! Anstatt üblicherweise zum Mittagessen zu gehen, beschließen die Gemeindemitglieder, die Zweiundzwanzig in ihrer Kirche aufzunehmen.
Andere Gemeinden in der Nähe packen mit an: eine Gemeinde bringt einen VW-Bus voller Matratzen und Decken. Eine andere spendet Pizzas. Drei weitere kochen Suppen, besorgen Handtücher und Seife. „Uns war klar, wir müssen was machen“, erzählt Pfarrerin Sabine Fröhlich von der Cantate Domino Gemeinde in der Nordweststadt. Drei Mal in der Woche soll es jetzt warmes Essen geben, denn sie wollen auch längerfristig helfen.
Die afrikanischen Flüchtlinge freuen sich und sind erleichtert. Ola Olokun stammt auch aus Afrika, arbeitet aber schon lange hier und hilft, sich zu verständigen. Er sagt: „Auf einmal öffnet eine Kirche ihre Tür und viele Menschen kommen und helfen. Ich bin noch immer ganz geflasht.“
Sich von der Geschichte von Martin anrühren lassen, ist wunderschön. Und seinem Beispiel folgen eigentlich nur konsequent. Nur mutig anfangen. Eben ganz konkret. Das ist der Praxischeck.