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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Religiöse Empfindungen zu respektieren bedeutet nicht, dass einem andere Sichtweisen erspart bleiben

Religiöse Empfindungen zu respektieren bedeutet nicht, dass einem andere Sichtweisen erspart bleiben

Bis in die letzte Instanz hat die dreizehnjährige Asmae zusammen mit ihrem Vater versucht, sich vom Schwimmunterricht befreien zu lassen. Aus religiösen Gründen, wie sie sagt. Sie will die Jungs aus ihrer Klasse nicht sehen, wenn die nur eine Badehose anhaben. Sie selbst will nicht von anderen gesehen werden, wenn sie einen Badeanzug anhat. Und den sogenannten Burkini, der den Körper bis auf Hände, Füße und Gesicht komplett bedeckt, den will sie auch nicht tragen. Sie wäre, sagt ihr Anwalt, dann als einzige so angezogen und würde sich als Außenseiterin fühlen.

Das Land Hessen, das sozusagen auf der Anklagebank saß, ließ dagegen erklären: Gerade an der Helene-Lange-Schule in Frankfurt-Höchst sind Schülerinnen im Burkini eben keine Ausnahme. Und im Übrigen: der Burkini stamme ja aus der islamischen Welt – als „islamgerechte Verhüllung für Schwimmerinnen“. Neulich habe ich in einem Frankfurter Schwimmbad offensichtlich muslimische Jugendliche gesehen: manche freizügig im Bikini, manche im hochgeschlossenen Burkini. Und die Jungs mit ihren knielangen Schlabber-Shorts – die waren auch da, aufgekratzt und super cool. Ob der Prophet Mohamed sich wirklich dagegen ausgesprochen  hat, dass Jungen und Mädchen gemeinsam schwimmen?

Immer wieder mal geraten religiöse Vorstellungen und gesellschaftliche Sichtweisen in Konflikt miteinander. Und das betrifft nicht nur muslimische Einstellungen, sondern auch solche aus dem christlichen Spektrum. Ich erinnere mich an fundamentalistische christliche Eltern, die ihre Kinder nicht am Biologieunterricht teilnehmen lassen wollten, weil sie nicht sexuell aufgeklärt werden sollten. Auch diese Familien geraten in Konflikt mit der Schulpflicht. Ob es wirklich Gottes Willen widerspricht, wenn Kinder aufgeklärt werden, ist dabei gar nicht ausgemacht. Tabus halten sich oft genug jenseits von rationalen Begründungen.

Kinder müssen lernen, neben den eigenen Vorstellungen auch andere Haltungen und kulturelle Werte zu akzeptieren. Religiöse Empfindungen zu haben, bedeutet ja nicht, dass man sich abschottet, damit einem andere Sichtweisen erspart bleiben. Gerade die Schule kann unterschiedliche Vorstellungen miteinander ins Gespräch bringen. Ich finde gut, wie das Gericht entschieden hat. Vielleicht lernen Asmae und ihre Mitschüler gerade am Beispiel des Schwimmunterrichts, was Respekt ist und Toleranz und wie man mit dem umgeht, was für einen selbst nicht gilt.