hr1 ZUSPRUCH
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Wildfang, Christoph

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

Novemberblues im Bett

Novemberblues im Bett

Ein Bein strecke ich schon mal aus der Bettdecke raus. Ich zähle innerlich bis „drei“ und dann springe ich – eigentlich – mehr oder weniger fröhlich aus dem Bett. Heute zähle ich bis „drei“, aber ich bleib einfach im warmen Bett liegen. Sonst klappt das immer mit der Zählerei, aber heute früh nicht.

November. Draußen noch dunkel. Bestimmt wird’s heute ein grauer Tag. Grau wie „restmülleimergrau“. Grau wie „aschgrau“. Eben einfach novembergrau. Und ich unter meiner warmen Bettdecke, bis eben noch schön geträumt und jetzt erst fünfzig Prozent Bein links aus dem Bett raus. So ein „Testbein“ für einen Novembertag.  „Klar, der November hat doch auch schöne Seiten“, hat mir vorgestern ein Freund gesagt, bevor er in den Flieger in den Süden stieg. Sonne tanken. Eben unseren November überspringen. Ich weiß, er möchte überhaupt den Herbst überspringen, eigentlich immer nur Sommer erleben.

Ich im Bett bewege die Zehen an meinem Testbein, das aus der Bettdecke rausguckt. Noch einmal springt der Radiowecker an. Dem hatte ich vor zehn Minuten schon einen übergebraten. Nun traut  er sich wieder. Musik. hr1. Gut. Ich höre genauer hin. Dabei bemerke ich auch das Tuckern des Treckers draußen. Klar, stimmt, die Bauer säen jetzt das Wintergetreide. Der November hat auch andere Seiten. Und ich pflege da meine November-Unlust, um nicht aus dem Bett zu steigen. Wieder Musik im Radio. Noch ist es dunkel draußen. In mir steigen langsam aber sicher November-Ideen hoch. Was ich heute bewusst machen könnte: Wenn es dann mal hell ist. Ich will mir den großen hohen herbstlichen Ahornbaum vor dem Fenster mal ganz genau betrachten. Im Sommer sehe ich da nur Blätter, im Oktober beschau ich mir manchmal beiläufig die Laubfärbung. Nun ist der ausladende Baum vor meinem Fenster kahl. Laublos. Ja, das steht natürlich auch fürs Werden und Vergehen, für Vergänglichkeit und Tod.

Trotzdem muss ich vor dem Tristen nicht weglaufen. Ich werde mir also heute bewusst den ganzen großen hohen Ahornbaum vornehmen. Wenn´s hell wird, dann lehn ich mich auf die Fensterbank und schau mir die November-Baumkrone an. Mache mir einfach aus diesem Novembertag etwas Besonderes. Ich werfe die Bettdecke auf die Seite. Ich werde einfach heute den manchmal so tristen November gelassener annehmen. Augen auf – und durch! Jetzt stehe ich auf!