Mülltonnen reiten
Als ich klein war, haben wir ganz oft Mülltonnen-Reiten gespielt. Jeder saß auf einer runden Metallmülltonne. Der Griff am Deckel war das Zaumzeug. Mit den Hacken gaben wir der Mülltonne die Sporen. Weil die Müllmänner die Mülltonnen immer so zum Mülllaster rollen mussten, war der Boden der Tonne ganz krumm und schief. Damals hatten die noch keine Rollen eingebaut. So konnten wir als Kinder gut drauf rum kippeln und schaukeln. In unserer Fantasie wurden sie zum Pferd. Und wenn wir stundenlang auf unseren Mülltonnen ritten, dann spielten wir Cowboy und Indianer, ganz lange Geschichten, obwohl wir uns ja eigentlich gar keinen Meter fort bewegten.
Wenn Erwachsene mit dem Müll kamen, sprangen wir kurz runter vom Mülltonnen-Pferd und danach ging’s weiter. Einen ganzen Nachmittag, bis es dunkel wurde. Dann mussten alle Mülltonnen-Cowboys und Indianer nach Haus zum Abendessen. Uhren hatten wir nicht und Handys waren noch nicht erfunden. Ganz schön armselig könnte man sagen, gab’s keine richtigen Pferde? Gab’s nichts Besseres zum Spielen?
Da, wo ich aufgewachsen bin, gab es wohl nichts Besseres. Vielleicht für Leute mit mehr Geld. Einen Zweitwagen hatten wir zu Hause auch nicht, mit dem uns die Mutter irgendwohin hätte gondeln können. Ich kannte keinen, der Reitstunden hatte. Nicht mal Cowboyverkleidungen hatten wir und auch keine Gewehre und so, da waren unsere Eltern allergisch. So spielten wir den ganzen Nachmittag nur mit Händen und Füßen, die uns dann zu allem wuchsen, was wir uns bei Spielen vorstellten. Bei Dunkelheit gingen wir dann erschöpft und erledigt von so viel action wieder nach Haus.
Das erzähle ich meiner Schulklasse in der Grundschule. Die Kinder sind erstaunlich still. „Es war nicht glorreich toll früher, aber eben ein bisschen anders,“ sage ich lächelnd. Das Wichtigste und Schönste war die Fantasie. Wenn selbst Mülltonnen zu wilden Pferden werden. Mit Fantasie ist ganz viel möglich. „Schade, dass unsere Mülltonnen aus Plastik sind und Rollen haben,“ sagt einer und viele nicken zustimmend.