Mit Zahnpasta putzen
Zwei indische Freunde sind bei mir zu Besuch. Für vier Wochen. Das Visum war sehr schwer zu bekommen. Meine Freunde Taj und Kuldeep sind einfach arme Menschen. 50, 60 € verdienen sie im Monat in Hyderabad in Indien. Da war das deutsche Generalkonsulat überaus kritisch. 2 Jahre haben wir gekämpft, damit sie herkommen durften. Mit Hilfe von engagierten Menschen hat’s geklappt. Mit wachen, fröhlichen Augen bestaunen sie unsere Heimat. Freuen sich über die einfachsten Dinge.
Nach einer U-Bahn und S-Bahnfahrt in Frankfurt fallen sie mir um den Hals. Das war toll. Wie das klappt. Und dann noch unterm Main durch. Wie das wohl gemacht wurde. Sie haben in der U-Bahn aus dem Fenster gestarrt, so als ob sie warten würden, dass Wasser einsickert oder da irgendwo an der Tunnelwand ein Symbol kommt: „Hier sind Sie nun genau unterm Fluss“. Ich glaube, als einzige haben sie aus dem U-Bahn-Fenster geschaut. Zum ersten Mal nehmen sie ein Bad in der Badewanne. Mit Schaum und so. Eine große Freude. Das ist ja wie … ihnen fehlen die Vergleiche. Auf jeden Fall ist es großartig. Und dann dürfen wir den Fußballplatz in Arnoldshain zum Cricketspielen nutzen. Zum ersten Mal spielen sie auf Gras – sonst nur auf Staub oder Beton. Auch ein Wow-Erlebnis. Davon gibt´s viele.
Es ist ansteckend, diese Freude an einfachen Dingen. Der eine ist Muslim, der andere Hindu. Neugierig besuchen sie auch die Gottesdienste am Sonntag – und ich gehe mit ihnen in das muslimische Freitagsgebet und einen Hindu-Tempel im Frankfurter Osthafen. Wir sind neugierig auf die Religion des anderen. Unsere alte Arnoldshainer Evangelische Kirche besichtigen sie mit wachen Augen. Möchten alles erklärt haben, vorsichtig berühren sie alte Gegenstände.
Eines Morgens putzen sie mit Zahnpasta und einer alten Zahnbürste die versilberten Altarkerzenständer aus der Kirche. Und grinsen. „Das Taufbecken und die Kanne dazu sind schon fertig“, sagt Taj strahlend und hält mir die kleine Taufschale entgegen. „Ist doch für Gott.“ „Und jetzt strahlt´s wieder,“ sagt Kuldeep. Ich bin geplättet. Sicher haben das zuvor schon hunderte Menschen gesehen, Jahre lang. Aber da kommen zwei 7100 Kilometer daher gereist, sehen, was nötig ist und packen einfach so an. „Die Zahnpasta ist alle“, sagen sie, „und deine Zahnbürste ist jetzt wohl hin. Ist ja für Gott“. Und lachen.