Liebe, stark wie der Tod
Monatelang liegt sie im Koma, die bekannte Sportmoderatorin Monica Lierhaus. Die Ärzte sind nicht sicher, ob sie jemals wieder aufwacht. Fast Immer sitzt jemand an ihrem Bett, oft ihre Schwester Eva. Sie liest laut aus einem Buch. Liest gegen die Stille, gegen die eigene Verzweiflung. Liest auch für die Schwester, die auf nichts reagiert. Auf keine Berührung. Keine Geste. Kein Wort. Sie liegt da wie eine Pflanze, die verdorrt ist.
Irgendwann kommt der Tag, wo Monica Lierhaus wieder aufwacht und sich mühsam und langsam wieder im Leben zurecht findet. Und irgendwann schenkt ihr Schwester Eva ein Buch. Sagt: »Das musst du lesen. Das ist gut.« Monica schlägt es auf, blättert darin herum, liest ein paar Zeilen, klappt es wieder zu und sagt: »Das Buch kenne ich.« Eva: »Das kannst du nicht kennen. Ich habe es erst gekauft, als du im Koma lagst.« Aber Monica kennt das Buch. Sie erzählt es nach vom Anfang bis zum Ende.
Obwohl die Zeit des Komas ein einziges schwarzes Loch ohne Erinnerung ist, erinnert sich Frau Lierhaus an jede Einzelheit dieses Buches. Die behandelnden Ärzte sind nicht unbedingt überrascht. Sie sagen: Es geschieht etwas zwischen einer Komapatientin und denen, die an ihrem Bett sitzen. Und: Menschen, deren Leben aufs äußerste bedroht ist, haben größere Chancen, ins Leben zurückzufinden und wieder gesund zu werden, wenn jemand an ihrem Bett sitzt und für sie hofft und für sie betet.
Sage niemand: Das ist ein hoffnungsloser Fall. Sage niemand am Bett eines schwer erkrankten Menschen: »Lass uns reden, sie kriegt ja sowieso nichts mehr mit.« Im Gegenteil: Es macht Sinn, achtsam zu bleiben, den Kranken zugewandt. Und dabei die Hoffnung zu bewahren, dass kein Wort ungehört und keine Liebe umsonst ist.
Denn in den bedrohlichsten Phasen, da wo das Leben abgestorben scheint, wachsen wie ein Wunder Pflanzen, weil andere nicht aufgegeben haben zu düngen. Auch den Boden zu düngen, der verdorrt zu sein scheint.