Himmelfahrt: Erwachsen Christ sein
Niemand käme auf die Idee, den großen Festen wie Ostern oder Weihnachten andere Namen zu geben. Beim Himmelfahrtstag, den wir morgen feiern, ist das aber gängige Praxis. Bis auf die Kalender, in denen noch Christi Himmelfahrt steht, und bis auf die Gottesdienste, die morgen üblicher Weise irgendwo im Grünen stattfinden, hat sich längst ein anderer Name eingebürgert: Vatertag. Dass sich diese Namensänderung fast wie von selbst vollzogen hat, liegt wahrscheinlich daran, dass der Himmelfahrtstag eher ein blasser Feiertag ist, mit dem die Menschen wenig anfangen können. Für was braucht man Christi Himmelfahrt?
Ich hätte da eine Idee. Christen feiern an Ostern die Auferstehung Jesu von den Toten. Er lebt und hat den Tod bezwungen. Aber wie sollen Christen mit diesem lebenden Jesus umgehen? Wo hält er sich auf? Wo kann man ihn treffen? Die einen würden sagen: Im Petersdom. Andere sehen ihn an der Seite der Flüchtlinge an den Grenzen Syriens. Wieder andere glauben, er ist im Fußballstadion und sorgt dafür, dass die eigene Mannschaft gewinnt. Und der ältere Herr wünscht ihn sich am Bett seiner kranken Frau, damit sie wieder gesund wird. Nun ist er aber in den Himmel aufgefahren und allen Menschen gleich nah. Denn ob wir sagen, er ist im Himmel oder in unseren Herzen, macht keinen großen Unterschied. Jeder und Jede kann sich an ihn wenden. Er braucht keine weite Anreise, um zur Stelle zu sein.
Und gleichzeitig lässt Jesus uns auch Zeit und Raum, dass wir unser Leben selbst gestalten und gewissermaßen auf erwachsene Art Christen sind. Es ist so ähnlich, wie wenn im Kindergarten die Mutter nach einem oder zwei Tagen Eingewöhnung zu ihrem Kleinen sagt: \"Ich gehe jetzt. Und das ist gut für dich!\" Vielleicht gibt es am Anfang ein paar Tränen und sehnsüchtige Blicke aus dem Fenster. Aber dann sind da andere Kinder und neue Spielsachen und viele kleine Abenteuer. Immer an der Hand der Mutter oder des Vaters hätte er das alles glatt übersehen. Aber jetzt, wo er nicht mehr am Rockzipfel oder am Hosenbein eines Großen hängt, kann er seine Welt erobern. Ich glaube, so verhält es sich auch mit den Christen nach dem Himmelfahrtstag. Wir hängen nicht am Rockzipfel oder dem Hosenbein eines Großen. Nur so können wir auf erwachsene Art Christen sein.