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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Glück lässt sich erst an den Rändern des Lebens wirklich erfahren

Glück lässt sich erst an den Rändern des Lebens wirklich erfahren

Es ist schon so, wie Max Mutzke das gleich zu Beginn der „Themenwoche Glück“ gesagt hat:  Mit der Musik, mit Liedern ist es wie mit Gerüchen. Ein bestimmter Duft erinnert mich an die erste Begegnung mit diesem Geruch. Auch Töne können mich wieder in das Gefühl eintauchen lassen, das damals in mir war, als ich zum ersten Mal diese Melodie gehört habe. Besonders verbindet sich Musik mit den schönen Momenten, den Glücksmomenten des Lebens.

Und dann hat Max Mutzke einen sehr überraschenden Titel als seinen persönlichen  „Glücks-Song“ vorgeschlagen: ‚Tears in Heaven‘ von Eric Clapton. Das ist nun aber alles andere als ein Wohlfühlsong. Clapton verarbeitet darin den Tod seines vierjährigen Sohnes Conor, der 1991 aus einem Hochhausfenster in die Tiefe gestürzt ist.

Trotzdem: ich kann dem was abgewinnen, beim Thema Glück gerade diese Ballade auszuwählen. Hätte ich vielleicht auch gemacht. Weil ich denke, dass sich erst an den Rändern des Lebens wirklich erfassen lässt, was Glück eigentlich ist.

Wenn ich Claptons „Tears in Heaven“ höre, dann ist mir gleich auch wieder die Geschichte dieses furchtbaren Unglücks vor Augen, der Sturz des kleinen Jungen aus dem 53. Stock eines New Yorker Hochhauses in die Tiefe. Ich habe davon erfahren, als ich das Lied vor zwanzig Jahren zum ersten Mal gehört habe.

Und was hat das nun mit Glück zu tun? Für mich entsteht echtes Glück nicht da, wo ich Tod und Trauer und Schmerz ausblende. Es klingt sehr widersprüchlich. Aber es ist wohl so, dass tiefes Glück erst empfunden werden kann, wenn ich verstehe, wie zerbrechlich es ist. Das intensive Empfinden von Glück ist nicht das Gegenteil von Trauer. Sondern die Gewissheit, dass es eine andere Welt gibt, ohne Trauer. In Eric Claptons Lied heißt es, dass im Himmel Frieden ist und dass es dort keine Tränen mehr geben wird, „there‘ll be no more tears in heaven…”

So steht es auch in der Bibel, ganz am Ende in der Offenbarung des Johannes: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein…“ Das ist eine gute Perspektive: die die nicht mehr bei uns sind, sind in Gottes Welt, im Himmel, gut aufgehoben. Und das zu wissen, lässt mich auch in großer Trauer glücklich sein.

Das passt eigentlich ganz gut zu morgen. Am Totensonntag oder besser: am Ewigkeitssonntag denken wir noch einmal an die, die in den letzten zwölf Monaten gestorben sind. „There‘ll be no more tears in heaven…”